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Politik: Strafen statt dealen

BGH-Präsident Tolksdorf ist die Justiz zu milde

Berlin - Kaum hat der Bundestag sich erstmals mit dem Gesetz zu Absprachen im Strafprozess beschäftigt, da donnert es aus Karlsruhe: „Solche Deals sind für die Glaubwürdigkeit der Justiz verheerend“, sagte der Präsident des Bundesgerichtshofs (BGH) Klaus Tolksdorf am Donnerstagabend. Absprachen riefen den nicht unzutreffenden Eindruck einer Zwei-Klassen-Justiz hervor, da sie in Wirtschaftsprozessen üblich seien – die meist Wohlhabende betreffen. „Ich halte diese Entwicklung für gefährlich.“ Als Gegenleistung für ein Geständnis würden Strafen verhängt, die nicht schuldangemessen seien. Er reibe sich manchmal die Augen, für welche Taten zwei Jahre mit Bewährung ausgesprochen würden.

Das Verfahren gegen den früheren Postchef Klaus Zumwinkel will Tolksdorf ausdrücklich nicht gemeint haben. Dennoch habe der Prozess vor dem Bochumer Landgericht wie ein abgekartetes Spiel gewirkt. So brächten die Deals auch jene Verfahren in Misskredit, in denen gar nicht gehandelt werde.

Selten mischt sich ein Richter, ein höchster dazu, explizit in laufende Gesetzgebung ein. Das Parlament berät derzeit einen Entwurf von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), mit dem Absprachen in Gesetzesform gegossen werden. Zypries will den Deal vom Gerichtsflur in den Saal verlegen, er soll sich im Urteil wiederfinden. Diese Vorzüge verkennt Tolksdorf nicht, sein eigenes Gericht hat genau dies 2005 gefordert: Ein Gesetz für den Deal. Schon damals stellte der BGH Kriterien auf, an die sich nur keiner halten würde, wie Tolksdorf beklagt. Nun müsse man sich entscheiden, ob man den Systemwechsel wolle: Hin zu einem Strafprozess, der auf Verständigung und nicht mehr auf Wahrheit beruhe. Das Unbehagen Tolksdorfs teilen viele Juristen. Doch im Ergebnis hieße es, nicht nur auf ein Gesetz für den Deal zu verzichten, sondern den Deal per Gesetz zu verbieten. neu

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