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Strafpunktesystem für Kinderlose?

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Strafpunktesystem: Merkel lehnt Sonderabgabe für Kinderlose ab

Es ist ein Vorschlag mit Spaltpotenzial: Junge Unionsabgeordnete plädieren für ein Strafpunktesystem für Kinderlose. Die Opposition ist empört. Und auch Angela Merkel beschreibt den Vorstoß als "nicht zielführend".

Die von einer Gruppe junger Unionsabgeordneter vorgeschlagene Abgabe für Kinderlose stößt in CDU und CSU auf ein geteiltes Echo. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) wandte sich dagegen, die Sozialversicherungssysteme auf diese Weise zu stabilisieren: „Ich finde es vernünftiger, Kinderwünsche zu befördern statt Kinderlosigkeit zu bestrafen.“

Die bayerische Familienministerin Christine Haderthauer (CSU) sprach sich hingegen für eine Besserstellung von Menschen mit Kindern aus. Derzeit gebe es in den Sozialversicherungssystemen eine Gerechtigkeitslücke zwischen Menschen mit und ohne Kindern, sagte Haderthauer. Wer Zukunft baue und Kinder habe, dürfe nicht mit denselben Beiträgen belastet werden wie jemand, der das egal aus welchen Gründen nicht mache. „Wir müssen wieder in eine Gesellschaft hineinwachsen, in der es nicht völlig egal ist, wie man lebt.“

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, lobte das Konzept ebenfalls. Das Thema finanzielle Vorsorge für die Alterung in den sozialen Sicherungssystemen müsse mit konkreten Aussagen Eingang in die Demographie-Strategie der Bundesregierung finden. „Ich wäre als Kinderloser gerne bereit, einen höheren Beitrag zur Entlastung von Familien zu zahlen. So machen wir es ja bei der Pflege heute schon.“

Grünen-Politikerin Katja Dörner nannte Haderthauers Äußerung „unverschämt und reaktionär“. „Er ist auch ein Schlag ins Gesicht ungewollt Kinderloser. Wenn es der bayrischen Familienministerin wirklich um die Förderung von Familien ginge, würde sie sich unserer Forderung anschließen, das Ehegattensplitting abzuschaffen. Damit könnten erhebliche Steuererleichterungen, die rein an den Trauschein geknüpft sind, beendet und Milliardenbeträge tatsächlich für die Unterstützung des Lebens mit Kindern investiert werden.“

„Kinderlose zu bestrafen, hilft den Eltern nicht“, sagte auch der familienpolitische Sprecher der Linken, Jörn Wunderlich, der dpa. Er nannte die vorgeschlagene Abgabe „eine Art Zwangs-Soli“. Nötig sei vielmehr, in der Kranken- und Pflegeversicherung eine solidarische Bürgerversicherung einzuführen und so Hoch- und Höchstverdienende mehr in die Finanzierung sozialer Sicherungssysteme einzubeziehen: „Damit wäre auch den Eltern geholfen, weil ihr Beitragssatz so sinken könnte.“

Die SPD lehnt die geforderte finanzielle Abgabe für Kinderlose strikt ab. „Dieser Ansatz ist mit Sicherheit nicht unser“, sagte Fraktionsvize Dagmar Ziegler am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Jeder Lebensentwurf muss respektiert und darf nicht bestraft werden.“ Viel wichtiger sei es, einkommenschwachen Menschen, die Kinder bekommen wollen, Existenzängste zu nehmen. „Wir müssen Kinder- wie Altersarmut verhindern“, betonte die Familienpolitikerin Ziegler.

Auslöser des Streits ist ein Vorschlag der Jungen Gruppe in der Unionsfraktion im Bundestag. Die Abgeordneten um den sächsischen Parlamentarier Marco Wanderwitz hatten gefordert, dass Kinderlose ab 25 Jahren künftig mit einem Prozent ihres Einkommens einen zusätzlichen Beitrag für die Stabilisierung der Pflege- und Krankenversicherung aufbringen sollen. Eltern von einem Kind sollen nur die Hälfte bezahlen müssen, Eltern von zwei oder mehr Kindern dann gar nichts mehr.

Wanderwitz sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Es gibt eine Schieflage in unserem Land. Familien tragen höhere Lasten als Kinderlose. Sie stehen finanziell schlechter.“ Deshalb sollten kinderlose Bürger von dem Geld, das sie einsparten, weil sie eben keine Kinder großzögen, mehr Vorsorge für ihr Alter treffen. Die Sozialversicherungssysteme basierten auf dem Generationenvertrag. „Jeder zahlt für die Eltern- und Großelterngeneration und sorgt mit Kindern dafür, dass es später wieder Beitragszahler gibt. Für Kinderlose zahlen später fremder Leute Kinder.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt den Vorstoß ab. „Schon eine Einteilung in Menschen mit und ohne Kinder ist nicht zielführend“, sagte Merkel am Dienstag in Berlin. „Ich glaube, wir müssen andere Wege finden.“ Das Anliegen, die sozialen Sicherungssysteme nachhaltig zu gestalten, sei berechtigt. Sie glaube aber nicht, dass der Vorstoß der Jungen Gruppe der Unionsfraktion die Probleme einer nachhaltigen Finanzierung lösen könne. (AFP/dpa)

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