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Politik: Strafvollzug in Eigenregie?

Bei der Föderalismusreform sind zwischen Bund und Ländern noch Fragen offen

Berlin - Nach der weitgehenden Einigung zur Föderalismusreform in den Verhandlungen für eine große Koalition haben Union und SPD am Mittwoch auch die FDP ins Boot geholt – denn für die nötige Verfassungsänderung braucht man im Bundesrat die Stimmen der Länder, in denen die Liberalen mitregieren. Und die wollen, dass nicht nur die Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern neu geordnet wird, sondern auch die Finanz- und Steuerverteilung, also eine Reform des Finanzausgleichs. „Wir fordern, dass Union und SPD verbindlich zusagen, dass diese zweite Stufe der Föderalismusreform in dieser Legislaturperiode angegangen wird“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Ernst Burgbacher, nach einem Gespräch mit Wolfgang Schäuble (CDU) und Klaus- Uwe Benneter (SPD), den Verhandlungsführern bei der Föderalismusreform. Zudem möchte die FDP die Autonomie der Hochschulen als Reformziel verankert wissen. Drittens will sie durch eine Änderung des Grundgesetzes die Länderneugliederung erleichtern. Die von Schwarz- Rot vereinbarte erste Stufe der Reform wird die FDP aber ohne größere Änderungen mittragen. „An uns wird es nicht scheitern“, sagte Burgbacher.

Doch noch gibt es strittige Details, die es in sich haben. So ist zwischen Bund und Ländern nicht geklärt, wie eine drohende Gesetzgebungsblockade vermieden werden kann, wenn aufgrund der Verfassungslage und der Karlsruher Rechtsprechung der Bund auf einem bestimmten Gebiet nicht mehr regeln darf, aber sich weigert, wie im Grundgesetz vorgesehen die Länder zur Gesetzgebung zu ermächtigen. Derzeit ist das etwa beim Ladenschluss so. Die Fälle könnten sich häufen, weil das Verfassungsgericht neuerdings eher länderfreundlich entscheidet.

Ein weiterer Knackpunkt könnte der Strafvollzug sein. Die Gesetzgebungskompetenz soll hier vom Bund an die Länder gehen. SPD-Justizpolitiker nennen das „eine Katastrophe für den Rechtsstaat“. Und auch nicht alle Unionsexperten sind ganz überzeugt von der Idee. Die Länder hatten ursprünglich gar keinen Grund gesehen, hier aktiv zu werden. Doch dann bot die Bundesregierung die Kompetenzübertragung an, vor allem Länderjustizminister der Union fanden Gefallen daran. Regelungen über die Ausstattung der Gefängnisse, über Mindeststandards der Haftbedingungen oder auch Ausgangserlaubnisse könnten bald von Land zu Land unterschiedlich geregelt werden.

In der SPD fürchten Justizpolitiker, dass mit der Aufgabe eines bundeseinheitlichen Strafvollzugs das rechtsstaatliche Prinzip verloren geht. „Stellen Sie sich vor, irgendwo passiert wieder mal ein Ausbruch – und so etwas lässt sich nie ganz ausschließen –, dann kann jetzt das betroffene Land einfach in Eigenregie Gesetze verschärfen“, sagt ein SPD- Experte. Über die Länder, so die Befürchtung, werde dann vom Resozialisierungsgedanken und dem modernen Strafvollzug Abschied genommen.

Die Bedenken der SPD teilen die Grünen und die Juristenverbände. Volker Ratzmann, Grünen-Fraktionschef in Berlin, fürchtet darüber hinaus, „dass sich der Strafvollzug dann nur noch an den fiskalischen Gegebenheiten der einzelnen Ländern ausrichtet“. Nicht mehr der Grundsatz der Resozialisierung bestimme dann den Strafvollzug auf mittlere Frist, „sondern nur der Stand der Landeskasse“. „Ein Gefangener in Berlin muss genauso resozialisiert werden wie anderswo“, fordert Ratzmann. Der Deutsche Richterbund, der Deutsche Anwaltsvereins, die Bundesrechtsanwaltskammer, die Vereinigung der Anstaltsleiter, mehr als hundert Rechtsprofessoren und weitere Vereinigungen fordern den Erhalt des Bundesrechts im Strafvollzug. Es bestehe die Gefahr, „dass in den Ländern populäre und wahltaktische Überlegungen die gesetzliche Gestaltung des hochsensiblen Strafvollzugs bestimmen“.

Aber auch die Skeptiker gestehen zu, dass Reformen über die Länder schneller auf den Weg gebracht werden können. In Länderkreisen gab es schon Kompromissvorstellungen, analog zur Regelung, die künftig im Umweltrecht gelten soll: Der Bund hat die zentrale Zuständigkeit, aber die Länder dürfen abweichen, wenn sie das partout für nötig erachten.

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