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Strategie: Guttenberg würde mit Aufständischen sprechen

Der Verteidigungsminister will Obamas Wunsch nach mehr Soldaten nicht ohne weiteres erfüllen. Erst sei eine Strategie für Afghanistan nötig, dann rede man über Truppen.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ist dafür, gegebenenfalls mit Aufständischen in Afghanistan zu sprechen. "Man wird darüber nachdenken müssen, ob das, was Henry Kissinger 'Kommunikationskanäle' genannt hat, politisch nachzuschärfen ist", sagte der CSU-Politiker in einem Interview mit der Welt am Sonntag.

"Nicht jeder Aufständische bedroht gleich die westliche Gemeinschaft", sagte er zur Begründung. Es gebe Unterschiede zwischen Gruppen, die aus der radikalen Ablehnung des Westens die Bekämpfung unserer Kultur zum Ziel haben, und etwa solchen, die sich ihrer Kultur vor Ort verbunden sehen. Er sei dafür, zu Volksgruppen und Stämmen offene Kommunikationskanäle zu halten, solange man sich dadurch nicht selbst eine Falle stelle. Vor zweieinhalb Jahren hatte der damalige SPD-Chef Kurt Beck Gespräche mit "moderaten Taliban" gefordert und war dafür – insbesondere von der CSU – verspottet worden. 

Guttenberg lehnte es ab, den Wunsch von US-Präsident Barack Obama nach einer Aufstockung des Afghanistan-Truppenkontingents widerspruchslos zu übernehmen: "Ich wäre vorsichtig mit dem Satz: Man muss Obama folgen. Wir sollten den Anspruch haben, eine Strategie anzustreben, die eigene Erfahrungswerte einbringt."

Im Hinblick auf die Ende Januar in London tagende Afghanistan-Konferenz sagte der Verteidigungsminister: "Der erste logische Schritt eines neuen strategischen Ansatzes ist nicht der, dass man sagt: Wir nehmen jetzt mehr Soldaten, und dann folgt die Strategie. Wir formulieren jetzt die Strategie und aus der folgt, wie viele Truppen und Zivilkräfte man braucht. Ob man mehr Soldaten braucht oder im bestehenden Rahmen zurechtkommt, ist noch offen." Der Minister kritisierte aus demselben Grund SPD-Chef Sigmar Gabriel. Zu dessen Ablehnung jeder Aufstockung des Bundeswehr-Kontingents für Afghanistan sagte Guttenberg: "Das hieße: Festlegung vor Strategie."

Auf die Frage, ob "gezielte Tötungen" Teil des deutschen Mandats seien, antwortete zu Guttenberg, dass das Mandat unter gewissen Bedingungen die gezielte Bekämpfung von Aufständischen zulasse. "Die Vorgängerregierung hat 2009 die Einsatzregeln präzisiert. Das führte damals zu nahezu euphorischen Aussagen, auch bei der SPD", sagte er. Kürzlich hatte das Verteidigungsministerium einem Bericht der Leipziger Volkszeitung allerdings eingeräumt, dass eine gezielte Liquidierung von Gegnern nicht mit dem Bundeswehr-Mandat für Afghanistan vereinbar sei.

Von der Afghanistan-Konferenz erwartet zu Guttenberg, dass Abzugsperspektiven formuliert werden. Diese sollten allerdings nicht an ein konkretes Datum gebunden sein.

Auf Fragen, ob das Hauptangriffsziel in der Nacht zum 4. September die entführten Tanker oder die Taliban gewesen seien, und warum der Angriffsort so schnell "gereinigt" worden sei, antwortete der Verteidigungsminister ausweichend. "Das wird der Untersuchungsausschuss zu klären haben", sagte er.

Einen Rücktritt wegen der Informationspannen rund um den Luftschlag von Kundus Anfang September lehnte Guttenberg ab: "Ich  messe die Rücktrittsforderungen an der Qualität der Vorwürfe. Es hat sich ja gezeigt, dass das alles wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt."

Derweil hat Sigmar Gabriel zu Guttenberg erneut scharf angegriffen und ihm Feigheit vorgeworfen. Guttenberg stelle sich nicht vor die Soldaten, "sondern er versteckt sich hinter ihnen", sagte Gabriel der Bild am Sonntag. "Das nenne ich feige". Er warf Guttenberg vor, Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan entlassen zu haben, um von eigenen Fehlern abzulenken. Mit seinem Verhalten gefährde Guttenberg "den breiten politischen Konsens im Bundestag in der Sicherheitspolitik und damit die Grundlage des Einsatzes in Afghanistan", sagte Gabriel.

Die SPD wolle Guttenberg und Schneiderhan im Untersuchungsausschuss vereidigen lassen, wenn sie bei ihren gegensätzlichen Aussagen über die Umstände von Schneiderhans Entlassung bleiben, kündigte Gabriel an. "Dann werden beide ihre Aussagen unter Eid wiederholen müssen. Wenn beide dann bei ihren Aussagen bleiben, schwört einer einen Meineid. Das ist dann ein Fall für den Staatsanwalt."

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa

Markus Horeld

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