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Sahra Wagenknecht am Wochenende auf dem Linken-Bundesparteitag in Berlin

© dpa

Streit um Doppelspitze in Linksfraktion: Dämpfer für Gysi, Ärger um Wagenknecht

Der Bundesparteitag der Linken hat beschlossen, dass die Bundestagsfraktion bis Ende dieses Jahres eine quotierte Doppelspitze bekommen soll. Gregor Gysi ist wegen der Entscheidung genervt. Ob sie Sahra Wagenknecht nutzt, ist offen.

Von Matthias Meisner

Der Antrag P.6. auf dem Linken-Parteitag dürfte noch Folgen haben - selbst wenn er nach übereinstimmenden Aussagen aus der Führung "nicht bindend" ist. Auf Antrag der Kreisverbände Bielefeld und Gütersloh hatte der Bundesparteitag am Wochenende in Berlin beschlossen, dass die Linksfraktion "aufgefordert" ist, "bis zum Ende des Jahres eine quotierte Doppelspitze zu wählen". Gregor Gysi, der das bisher mit Blick auf seine aufstrebende Stellvertreterin Sahra Wagenknecht zu verhindern gewusst hat, war nicht begeistert über die Entscheidung, wie aus der Partei zu hören ist.

Ob der mit 220 gegen 193 Stimmen gefasste Beschluss auf der anderen Seite Wagenknecht nutzen wird, ist noch die andere Frage. Einerseits hat der Fraktionschef durchblicken lassen, dass er nach dem eigenen Rückzug eine Doppelspitze wünscht aus seinem Vertrauten Dietmar Bartsch vom Reformerlager und Wagenknecht, die zum linken Lager in der Partei gehört. Nur gilt dies eben erst für den Fall, dass sich Gysi tatsächlich aus der ersten Reihe zurückzieht - eine Doppelspitze mit ihm und Wagenknecht will der seit 2005 amtierende Fraktionschef dem Vernehmen nach weiterhin nicht.

Wagenknecht war bei der Bundestagswahl Spitzenkandidatin in Nordrhein-Westfalen. Den von ihren Genossen aus dem Landesverband gestellten Antrag, der auch bei den Strömungstreffen vor dem Parteitag Thema war, will sie dennoch bis zur Beschlussfassung nicht gekannt haben. Sie gehe davon aus, dass in der Fraktion diskutiert werde, "wie wir das umsetzen", sagte sie zu der Entscheidung. Es handele sich um einen "ernstzunehmenden Beschluss", der aber nicht zu "Verwerfungen" führen dürfe.

Kipping: Klares feministisches Signal

Doch die gibt es bereits. Denn zeitlich will sich Gysi bei der Frage, wann er das Amt des Fraktionschefs abgibt, nicht unter Druck setzen lassen. Auch die Parteiführung ist dagegen, die in eineinhalb Jahren geplanten Wahlen zum Fraktionsvorstand vorzuziehen. Parteichefin Katja Kipping nennt den Parteitagsbeschluss zwar ein "klares feministisches Signal" für eine Doppelspitze. Aber: Es sei bei dem Beschluss "weniger um eine konkrete Terminsetzung" gegangen, sondern vor allem um das grundsätzliche Anliegen. "Ich gehe davon aus, dass die Fraktion das bei ihrer nächsten Wahl entsprechend beraten und berücksichtigen wird", sagte Kipping dem Tagesspiegel.

Ihr Ko-Chef Bernd Riexinger deutete im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa die Forderung im Parteitagsbeschluss als "Empfehlung" um, die 2015 gelte, wenn der Fraktionsvorstand neu bestimmt wird.

Ermittlungen wegen Stasikontakten

Dass Gysi sein Amt zur Hälfte der Legislaturperiode abgibt, ist denkbar, aber keineswegs sicher. Derzeit wirkt der Politiker, der gerade zu politischen Gesprächen in Moskau weilt, alles andere als amtsmüde. Auch die monatelangen Ermittlungen der Hamburger Staatsanwaltschaft zu seinen früheren Stasikontakten, zu denen in dieser Woche eine Entscheidung erwartet wird, haben ihn nicht aus der Ruhe gebracht. Durchaus reizt ihn, die Linke 2017 in eine Regierungsbeteiligung zu führen, die allerdings wegen der Ukraine-Krise gerade nicht sehr wahrscheinlich erscheint.

In der Partei gärt es wegen des Beschlusses zur Doppelspitze, aber nicht nur deshalb. Verstimmt ist vor allem das Reformerlager, das bei der Wahl der neuen Stellvertreter von Kipping und Riexinger ihren Kandidaten Dominic Heilig nicht durchbrachte. Der Sprecher des Forum demokratischer Sozialismus, Stefan Liebich, sagte, er verstehe nicht, warum sich Kipping und Riexinger auf dem Parteitag nicht vor der Abstimmung gegen den Antrag P.6. positioniert hätten.

"Ich halte diese und andere Entscheidungen des Parteitages für falsch", erklärte Liebich. "Das Argument, dass Doppelspitzen in unserer Partei ,üblich seien', ist unwahr." Die Europafraktion werde von Gabi Zimmer geführt, und keine der Landtagsfraktionen außer in Hessen habe eine Doppelspitze. Gespannt sei er, stichelte der Linken-Reformer, ob nun beispielsweise Oskar Lafontaine im Saarland eine weibliche Fraktionsvorsitzende zur Seite gestellt bekomme.

Für den linken Flügel dagegen scheint alles recht gut gelaufen. "Dass ich stellvertretender Vorsitzender geworden bin, wird schon als eindeutiges Zeichen dafür gesehen, dass die klare Antikriegsposition an Einfluss gewonnen hat", sagte der neue Vize-Parteichef Tobias Pflüger der "Jungen Welt". Und auf die Frage, ob nun der Weg frei sei für Wagenknecht als gleichberechtigte Fraktionsvorsitzende, erklärte er: "Die nächste Wahl findet in der Mitte der Legislaturperiode statt, das wäre im Herbst kommenden Jahres. Ich gehe davon aus, dass sie es dann auch wird."

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