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Politik: Streit um mehr Stasi-Checks Juristen sehen geplanten Gesetzentwurf kritisch

Berlin - Der Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen zur Novellierung des Stasiunterlagengesetzes hat am Montag bei einer öffentlichen Anhörung im Bundestagsausschuss für Kultur und Medien heftige Kontroversen ausgelöst. Union und FDP wollen den Kreis der auf frühere Stasi-Mitarbeit zu überprüfenden Personen wieder erweitern, nachdem er vor mehreren Jahren nur auf Spitzenämter im öffentlichen Dienst begrenzt worden war.

Von Matthias Schlegel

Berlin - Der Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen zur Novellierung des Stasiunterlagengesetzes hat am Montag bei einer öffentlichen Anhörung im Bundestagsausschuss für Kultur und Medien heftige Kontroversen ausgelöst. Union und FDP wollen den Kreis der auf frühere Stasi-Mitarbeit zu überprüfenden Personen wieder erweitern, nachdem er vor mehreren Jahren nur auf Spitzenämter im öffentlichen Dienst begrenzt worden war. Künftig sollen unter anderen auch Mitglieder kommunaler Vertretungen und ehrenamtliche Bürgermeister, Beschäftigte des öffentlichen Dienstes ab der Besoldungsgruppe A 13 beziehungsweise der Entgeltgruppe E 13, die eine leitende Funktion ausüben, sowie Bewerber um Wahlämter überprüft werden können. Überdies soll die Frist für die Überprüfungen, die ursprünglich Ende des Jahres 2011 auslaufen sollte, bis zum Ende des Jahres 2019 verlängert werden. Anlass für die Pläne zur Änderung des derzeitigen Gesetzes waren zahlreiche Fälle früherer Stasi-Mitarbeit bei Polizei und Justiz in Brandenburg.

Ulrike Poppe, die brandenburgische Beauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur, befürwortete den Gesetzentwurf. In diesem Bundesland hätten sich die gesetzlichen Regelungen als „unzureichend erwiesen“. Da es in Brandenburg „einen – gleichwohl umstrittenen – Nachholbedarf in der Aufarbeitung gibt, begrüße ich die Änderung des Stasiunterlagengesetzes“, hieß es in ihrem Gutachten. Auch Staatssekretär Thomas Lenz vom Innenministerium in Mecklenburg-Vorpommern sprach sich für den Gesetzentwurf aus.

Dagegen äußerten Rechtswissenschaftler erhebliche Bedenken. So bezweifelte Hans Peter Bull von der Universität Hamburg den von den Initiatoren „behaupteten gesellschaftlichen Bedarf“ nach einer Erweiterung der Überprüfungen. Auch stehe der mögliche Nutzen „in keinem angemessenen Verhältnis zu dem damit verbundenen Aufwand und der Beeinträchtigung der Betroffenen“. Für Beamte, „die seit Jahrzehnten unbeanstandet ihre Funktion erfüllen“, sei dies unter rechtsstaatlichen Aspekten unzumutbar. Auch wenn die Überprüfungen in den Bundesländern jeweils nicht mit gleicher Sorgfalt durchgeführt worden seien, rechtfertige dies nicht eine nochmalige Überprüfung aller nun vorgesehenen Personengruppen.

Michael Kleine-Cosack, Fachanwalt für Verwaltungsrecht in Freiburg, kritisierte, der Gesetzentwurf sei „ein Plädoyer für einen Überprüfungs- und Überwachungsstaat“. Das stehe im Widerspruch zu kritischen Bekundungen der Regierungsparteien bei anderen aktuellen Eingriffen in Persönlichkeitsrechte der Bürger. Der Entwurf sei „offensichtlich verfassungswidrig“, soweit er den Kreis der zu überprüfenden Personen erstmalig erweitere.

Dagegen plädierte der SPD-Politiker Richard Schröder im Namen des Beirats der Stasiunterlagenbehörde dafür, in den Bereichen Justiz und Polizei auch Führungspersonal der unteren Ebenen in die Überprüfungen einzubeziehen. In eine andere Richtung zielt allerdings ein Antrag von SPD und Grünen im Bundestag. Sie wollen Stasi-Checks nur bei begründeten Verdachtsfällen vornehmen lassen.

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