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Spitzen in der Spitze. Parteichef Sigmar Gabriel und Generalsekretärin Yasmin Fahimi haben offensichtlich unterschiedliche Meinungen, was den Umgang mit Pegida und deren Anhängern angeht.

© dpa

Streit um Umgang mit Pegida-Anhängern: Sigmar Gabriel und Gregor Gysi sind für Dialog

SPD und Linke kämpfen innerparteilich um das richtige Verhalten gegenüber den Anhängern von Pegida. Sigmar Gabriel und Gregor Gysi wollen einen Dialog führen. Andere sehen das anders. Das führt zu eigentümlichen Verrenkungen.

Von
  • Hans Monath
  • Matthias Meisner

Die SPD-Generalsekretärin gab sich große Mühe, aber aller rhetorischer Aufwand half dann doch nichts: Sie sei sich mit Parteichef Sigmar Gabriel einig, dass es mit ihm keinen Dissens über den Umgang mit der Protestbewegung Pegida gebe, versicherte Yasmin Fahimi am Montag mehrfach. Doch trotz des Besuchs von Gabriel bei einer Diskussionsrunde mit Pegida-Anhängern und -Gegnern in Dresden wollte die Politikerin sich selbst dann doch nicht widersprechen, denn schon vor dem Besuch des Parteichefs hatte sie ihre abweichende Meinung deutlich gemacht. „Nein“, sagte sie auf die Frage, ob sie nun auch solche Gesprächsforen besuchen wolle: „Ich bin für mich zu der Entscheidung gekommen, dass ich das nicht möchte.“

Der offene Dissens in der SPD-Spitze ist allerdings nur ein besonders deutliches Beispiel dafür, wie schwer sich die Parteien mit der islamkritischen Bewegung tun. Auch aus der Union und aus der Linkspartei wurden widersprüchliche Meinungen zur Teilnahme Gabriels an der Diskussionsrunde von Pegida-Anhängern und -Gegnern am Freitag laut. Hintergrund des Streits ist die Frage, wie Politiker mögliche Sorgen frustrierter Bürger ernst nehmen können, ohne fremdenfeindliche und rechtsextreme Thesen und Demonstrationen aufzuwerten.

Deutlich auf Distanz zu Gabriel ging CSU-Chef Horst Seehofer. „Ein führender Politiker muss immer wissen, welche Eindrücke er damit auslöst“, sagte Seehofer. Er halte nichts davon, sich mit diesen Leuten zusammen zu setzen, und habe bei solchen Kontakten „große Skepsis“. Der bayerische Ministerpräsident reagierte damit ähnlich wie am Wochenende bereits Spitzenpolitiker der Linkspartei und der Grünen, mit denen die CSU sonst wenig Gemeinsamkeiten hat.

Auch in der Linken gibt es eklatante Widersprüche

Allerdings gibt es auch in der Linkspartei eklatante Widersprüche: Fraktionschef Gregor Gysi hat anders als die beiden Parteichefs mehrfach ausdrücklich dafür geworben, mit Pegida-Mitläufern zu reden. Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping hatte andererseits SPD-Chef Gabriel vorgeworfen, er treffe mit Pegida eine AfD-Vorfeldorganisation.

Innenminister Thomas de Maizière und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (beide CDU) sprachen sich ebenfalls für einen Dialog mit Pegida-Anhängern. Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel (CDU) vermied eine Positionierung zur Aktion des Vizekanzlers. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte lediglich, die Kanzlerin habe zunächst nicht vor, persönlich mit Pegida-Anhängern zu sprechen. Merkel hatte in ihrer Neujahrsansprache vor rassistischen und antiislamischen Parolen gewarnt und die Bürger gewarnt: „Folgen Sie denen nicht!

Dagegen hatte Gabriel mit Blick auf Dresden vor Weihnachten dazu aufgerufen, die Sorgen von Bürgern ernst zu nehmen, die von der Politik enttäuscht seien. Am Jahresanfang sprach er sich für einen Dialog mit Pegida-Teilnehmern aus und machte deutlich, dass er die Unruhe nicht nur für ein regionales Problem hält. Man müsse sich „mit der wachsenden Zahl derer beschäftigen, die offenbar den Eindruck haben, in unserem Land kein Gehör mehr zu finden“, sagte er.

Hintergrund der Ankündigung war eine Analyse, die Gabriels Umgang mit seiner eigenen Partei seit vielen Jahren bestimmt. Der Vorsitzende ist überzeugt, dass die sozialdemokratische Funktionärsschicht in einer Art Parallelwelt lebt, die vom Alltag und dem Empfinden vieler Bürger abgekoppelt ist. Viele Anstöße zur Reform der SPD in den vergangenen Jahren lassen sich als sein Versuch lesen, diese Lücke zu schließen. Auch die politische Klasse als Ganzes hat sich nach Gabriels Überzeugung zu weit von den Menschen entfernt. Auch rhetorisch versucht der SPD-Politiker häufig, die Lücke zwischen Politik und Erleben der Bürger zu schließen, was ihm immer wieder den Vorwurf des Populismus einträgt.

Sigmar Gabriel hatte sich mit seiner Partei nicht oder unzureichend abgestimmt

Allerdings hatte Gabriel seine Teilnahme an der Veranstaltung der sächsischen Landeszentrate für politische Bildung mit der eigenen Partei nicht oder unzureichend abgestimmt. Die Einladung der Landeszentrale war im Willy-Brandt-Haus zwar bekannt, doch wurden von ihm weder die Parteizentrale noch die Mitglieder der engeren Parteiführung informiert, wie es in Parteikreisen hieß. Der 55-Jährige dürfte damit seinen Ruf als impulsiver, schwer zu steuernder Politiker wieder bestärkt haben. Seit dem Amtsantritt als Vizekanzler Ende 2013 hatten auch solche Spitzengenossen dem SPD-Chef eine positive Entwicklung bescheinigt, die zuvor über desssen ständige unabgesimmte Vorstöße geklagt hatten. Ganz verschwunden war das Misstrauen aber nie. „Er ist eben ein Vulkan“, meinte kürzlich ein Mitglied der engeren SPD-Führung. Gemeint war: Der nächste Ausbruch kommt bestimmt.

Fahimi sagte am Montag nach einer Schaltkonferenz des Präsidiums, die SPD lehne einen Dialog „mit den Organisatoren oder dem harten Kern“ der Pegida geschlossen ab: „Wer rechtsradikales Gedankengut schürt, kann für die SPD kein Gesprächspartner sein.“ (mit dpa)

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