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Politik: Streit ums Kleingedruckte

Innenminister Schäuble erwartet Ja der Länder zum Bleiberechtsvorschlag – doch die wollen Änderungen

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Berlin - Kaum war am Dienstag die Einigung der großen Koalition zum Bleiberecht durchgesickert, brach der Sturm los. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) nannte die vereinbarte Regelung den falschen Weg. Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sagte dem „Handelsblatt“: „Ich habe den Eindruck, dass hier wirklich keine Praktiker am Werk waren.“

Nach monatelangen, extrem schwierigen Verhandlungen über ein Bleiberecht für die insgesamt 180 000 in Deutschland nur geduldeten Ausländer ließ sich der Bundesinnenminister davon allerdings nicht aus der Ruhe bringen. „Wir haben eine Bitte aus den Ländern erfüllt“, sagte Schäuble am Mittwoch. Er sei gebeten worden, eine Einigung zu der Frage mit dem Bundesarbeitsminister zu erreichen. „Der Bundesinnenminister fährt da hin (zur Innenministerkonferenz am Freitag) und sagt seinen Kollegen: Auftrag erfolgreich ausgeführt. Und dann erwartet er, dass sie sagen, vielen Dank.“ Über Einzelheiten könne man bei der Innenministerkonferenz noch reden.

Intern hatten sich auch die Innenminister der Länder längst auf ein Bleiberecht verständigt – an der Sache an sich liegt die Empörung nicht. Nun bedurfte es aber noch einer Vereinbarung mit dem SPD-geführten Arbeitsministerium unter Franz Müntefering. Zum anderen hatte die SPD-Bundestagsfraktion dem Weg der Länderinnenminister ein Veto entgegengestellt. Ohne eine Zustimmung der SPD-Fraktion jedoch war für die Union klar, dass die SPD sich auch weiterhin den Plänen Schäubles für eine Veränderung des Zuwanderungsgesetzes verweigern würde. Also bestand Handlungsbedarf.

Der jetzige Kompromiss geht aber in einem – zumindest theoretisch – entscheidenden Punkt über die Linie der Innenminister hinaus: Sie wollten, dass Geduldete für eine Aufenthaltsgenehmigung in Lohn und Brot stehen müssen. Sei dem aus aufenthaltsrechtlichen Gründen nicht so, „kann die Duldung letztmalig bis zum 30.9.2007 verlängert werden“. Bis dahin müsse Arbeit nachgewiesen werden, sonst gebe es keine Aufenthaltserlaubnis.Die Vereinbarung der großen Koalition sieht dagegen vor, dass schon in einem ersten Schritt eine Aufenthaltserlaubnis befristet auf zwei Jahre erteilt wird, in diesem Zeitraum müsse dann eine Arbeit nachgewiesen werden. Und ein weiterer Punkt stört die Unionsvertreter: Schon das ernsthafte Bemühen um eine Arbeitsstelle könnte nach dem jetzt auf dem Tisch liegenden Vorschlag für eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausreichen.

Für die SPD stellen diese Aspekte eine Verbesserung dar, entsprechend begrüßten SPD-Vertreter den Kompromiss. Am deutlichsten wurde SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz: „Ich bin stinksauer, wenn das jetzt wieder zerredet wird.“ Beifall bekam der rot-schwarze Kompromiss auch von Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU), aber auch viele Fachminister der unionsregierten Länder sehen jetzt gute Chancen auf eine Einigung. Hamburgs parteiloser Innensenator Udo Nagel sagte dem Tagesspiegel, er sehe zwar „noch sehr viel Diskussionsbedarf – dennoch bin ich der Ansicht, dass eine Einigung gelingen kann, wenn alle es wollen“. Nagel sagte, er begrüße es, „dass sich Herr Müntefering beim Thema Arbeitserlaubnis bewegt hat. Das war eine der Hauptforderungen der Ministerarbeitsgruppe“.Eine „ungebremste Zuwanderung in die Sozialsysteme“ dürfe es nicht geben. Auch Nagels hessischer Kollege Volker Bouffier (CDU) ist nach den Worten seines Sprechers dafür, dass die Verbesserung des Aufenthaltsstatus, wie im Koalitionskompromiss vorgesehen, daran geknüpft ist, dass ein geduldeter Ausländer wirtschaftlich auf eigenen Füßen steht. Für zu schwach hält er allerdings, dass dafür schon der Nachweis intensiven Bemühens um Arbeit reiche.

Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Armin Laschet (CDU) zeigte sich hingegen erfreut: „Das ist ein Durchbruch und eine große Chance auch für unser Land.“ Es liege schließlich im deutschen „Interesse, wenn gut integrierte ausländische Kinder sicher sein können, dass sie hier bleiben dürfen.“ Ihre Interessen müssten künftig Vorrang haben.

Bayerns Innenminister rudert inzwischen ein wenig zurück: Der Koalitionsvorschlag löse bei ihm zwar keine Begeisterung aus, sagte Beckstein am Mittwoch. Eine Einigung sei aber möglich.

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