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Politik: Strippenzieher Rainer Speer wird womöglich Leiter der Staatskanzlei

Dass Rainer Speer zum auserlesenen SPD-Team für die Brandenburger Koalitionsverhandlungen gehört, hat niemanden überrascht. Dabei ist es durchaus ungewöhnlich.

Dass Rainer Speer zum auserlesenen SPD-Team für die Brandenburger Koalitionsverhandlungen gehört, hat niemanden überrascht. Dabei ist es durchaus ungewöhnlich. Offiziell ist der 40-jährige Potsdamer bislang nämlich lediglich Staatssekretär im Umweltministerium. Er hat weder einen Ministerposten, noch ein Spitzenamt in der Partei, aber trotzdem längst mehr Macht als mancher Minister. Schon seit Jahren gilt Speer, obwohl er das öffentliche Rampenlicht vermied, als einflussreiche Größe in den Machtgefilden Brandenburgs: Er ist einer der wenigen Stolpe-Berater. Nicht umsonst machte seit längerem das Wort von Stolpes "zweiter Staatskanzlei" die Runde, die er führe. Nur folgerichtig, dass Speer jetzt als Favorit für die Nachfolge des ausgeschiedenen Staatskanzleichefs Jürgen Linde gehandelt wird.

Stolpe und Speer kennen sich lange: Schon 1990 managte der damalige VizeChef der Bezirksverwaltungsbehörde Stolpes ersten Wahlkampf. Vier Jahre später, nach dem SPD-Sieg bei der Landtagswahl, schickte der Regierungschef Speer, inzwischen Abteilungsleiter für Regierungsplanung in der Staatskanzlei, in das Umweltministerium. Er sollte in dem früheren Bündnis-Ressort mit Schlamperei und Flügelkämpfen zwischen Naturschützern und Raumordnern aufräumen. Tatsächlich hielt Speer fortan Matthias Platzeck, der sich öffentlich als Sunnyboy profilieren konnte, mit eiserner Hand den Rücken frei. Eine perfekte Arbeitsteilung. Und beide wurden nicht Rivalen, sondern Freunde.

Bei den jetzigen Koalitionsverhandlungen kann Speer einmal mehr seine eigentlichen Stärken ausspielen. Als strategischer Kopf, als Strippenzieher hinter den Kulissen. Sein größter Coup: Zugleich SPD-Stadtchef in Potsdam hatte Speer den Wechsel seines Minister-Freundes Platzeck ins hiesige Rathaus eingefädelt, als mit dem absehbaren Sturz des damaligen SPD-Oberbürgermeisters Potsdam an die PDS zu fallen drohte.

Graue Eminenzen, das ist überall so, werden gebraucht, aber selten geliebt. Speer geht es wohl ähnlich, zumal sein schnoddrig-brüskes Auftreten für Vorbehalte sorgt. Einer seiner Gegner war der frühere Staatskanzleichef Jürgen Linde. Es ist auch ein offenes Geheimnis, dass SPD-Fraktionschef Wolfgang Birthler Speer nicht als LindeNachfolger sehen will. Diejenigen, die ihn näher kennen, schildern einen anderen Speer: Hinter seiner harten Fassade stecke ein weicher, womöglich sogar verletzlicher Typ. Einer, der wie kürzlich an seinem Geburtstag in einer Potsdamer Kneipe herzzerreißend Mundharmonika spielt. Er liebe, sagt Speer, das "Spiel mit den Elementen." Und die Provokation: Etwa, wenn er mit breiten Hosenträgern - wie Havanna-Zigarren und Nickelbrille Markenzeichen - in die Staatssekretärsrunde marschiert oder im Military-Look zum Parteitag radelt.

Das Außenseiter-Image, das er längst kultiviert, hat einen tieferen Kern. Ob bei der Kleidung oder in der Politik: Sich anzupassen war nie seine Sache. Zu DDR-Zeiten hatte er erst eine Offizierslaufbahn angepeilt, um dann wegen politischer Unbotmäßigkeit sofort von der Hochschule zu fliegen. Fortan restaurierte Speer antike Möbel, fand eine Nische als Leiter eines Jugendklubs. Aber was er sich in den Kopf setzt, zieht dieser Mann mit bemerkenswerter Zähigkeit durch. So verschwand er 1997 einige Wochen, um mutterseelenallein durch das Hochland von Tibet zu radeln. "Danach war der Kopf wieder frei." Im nächsten Jahr will er durch Nordkanada. Mit dem Kajak.

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