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Studie: Viele Deutschtürken wollen zurück in die Türkei

Beinahe die Hälfte der in Deutschland lebenden Türken wollen zurück in ihre Heimat. Auch sonst zeigen sich deutliche Tendenzen einer Rückbesinnung auf traditionelle Werte, wie eine Studie zeigt.

Von Katrin Schulze

Zurück zu den Wurzeln: Das möchte beinahe die Hälfte aller Türken in Deutschland. 45 Prozent zieht es in das Land ihrer Eltern, Großeltern und Verwandten, wie das Meinungsforschungsinstitut Info ermittelt hat. Der repräsentativen Umfrage zufolge lebt zwar gut jeder Dritte der Türkischstämmigen schon seit mindestens 30 Jahren hier, dennoch betrachten nur noch 15 Prozent Deutschland eher als ihre Heimat als die Türkei – 2009 war es noch jeder Fünfte. „Die Ergebnisse decken sich mit unseren Erfahrungen und Anfragen“, sagt Kenan Kolat, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland. „Vor allem junge, qualifizierte Deutschtürken möchten zurück, weil sie in der Türkei größere Aufstiegs- und Karrierechancen sehen.“

Neben wirtschaftlichen Gründen für eine Rückkehr nannten die Befragten aus dem gesamten Bundesgebiet vor allem den Heimataspekt, dass sie den Ruhestand genießen wollten und das bessere Wetter in der Türkei. Immerhin zehn Prozent gaben allerdings auch an, dass sie mit Deutschland und den Deutschen nicht zurechtkommen. Sie fühlen sich ausgegrenzt. Glaubt man den Entwicklern der Studie, geht dies unter anderem auf die Äußerungen von Thilo Sarrazin (SPD) und die Morde der NSU-Terrorzelle zurück. „Für viele Türken war es eine tiefe Enttäuschung, dass der Sicherheitsapparat in Deutschland nicht funktioniert“, sagt auch die Ombudsfrau für Neonazi-Opfer und ehemalige Ausländerbeauftragte des Berliner Senats, Barbara John. Im Allgemeinen dürfe man aber nicht annehmen, dass sich Deutschtürken total assimilieren würden.

Doch die Studie geht gerade in dem Punkt noch weiter. Denn obwohl der Integrationswille hierzulande über die Jahre gestiegen ist, gaben etwa zwei Drittel auch an, am liebsten unter Türken zu sein. Überhaupt ist eine Rückbesinnung festzustellen – auf die Türkei an sich, aber auch auf traditionelle Werte und Religion. Gut 50 Jahre nachdem die ersten türkischen Gastarbeiter nach Deutschland kamen, ist die Zahl derer, die sich selbst als streng religiös einstufen, gestiegen: von 33 auf 37 Prozent – und in der dritten Generation sind es sogar noch mehr.

Von den 15- bis 29-Jährigen bezeichnet sich rund ein Drittel als streng religiös, 63 Prozent von ihnen befürworten die umstrittene Verteilung von Gratis-Koranen in deutscher Sprache. „Viele suchen nach einer Identität. Sie fühlen sich hier nicht anerkannt“, sagt Kolat. Für gefährlich hält er diese Werte aber, ebenso wie Barbara John, nicht: „Dass sich radikale Tendenzen breitmachen, sehe ich nicht.“

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