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Studie: Wie ist die Situation der Migranten?

Die Integration in Berlin ist gescheitert, sagt eine internationale Studie. Andere Untersuchungen teilen diese Ansicht nicht. Wie ist die Situation am Tag der Migranten, der am Freitag begangen wird?

Gleich mehrere große Studien haben sich in diesem Jahr mit der Integration der rund 15 Millionen Migrantinnen und Migranten in Deutschland beschäftigt. Jedoch unterscheiden sich die Ergebnisse zum Teil beträchtlich. So zeigt eine neue, allerdings nicht repräsentative Untersuchung des New Yorker Open Society Institute, dass sich nur jeder vierte Muslim in Berlin als Deutscher betrachtet. Deutlich besser sieht es in Großbritannien aus, wo sich 78 Prozent der Muslime als Briten verstehen. Zur Begründung verweist das Open Society Institute darauf, dass sich Eingewanderte erst seit dem Jahr 2000 leichter in Deutschland einbürgern lassen können.

Die Zahlen für Deutschland wirken indes weniger erschreckend, zieht man weitere Studien heran. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup gaben nur 32 Prozent der Gesamtbevölkerung an, eine enge Bindung an Deutschland zu haben. Aber gleich 40 Prozent der Muslime fühlen sich besonders stark an Deutschland gebunden. Außerdem vertrauen Muslime stärker den Gerichten und der Regierung als Nichtmuslime. Viele Gläubige fühlen sich nicht willkommen in Deutschland. Einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zufolge, die im November vorgestellt wurde, glaubt fast jeder zweite türkische Migrant, in Deutschland unerwünscht zu sein. 42 Prozent planen eine Rückkehr in die Türkei. Bei den jüngeren Migranten ist dieser Wunsch sogar stärker ausgeprägt als bei älteren.

Viele Migrantengruppen haben auch in der zweiten und dritten Generation den gesellschaftlichen Aufstieg nicht geschafft. Besonders schlecht ist die Bildungssituation der Türkischstämmigen. Knapp ein Drittel von ihnen hat keinen Schulabschluss, nur 14 Prozent haben Abitur gemacht. Das hat eine Studie des Berlin-Institutes ergeben. Deutlich besser sieht es bei den Aussiedlern aus Osteuropa aus: Fast jeder Dritte von ihnen hat die Hochschulreife, nur drei Prozent verfügen über keinen Abschluss.

Insgesamt sind Ausländer im Schnitt doppelt so häufig von Arbeitslosigkeit betroffen wie Deutsche. Besonders problematisch: Auch bei gleicher Qualifikation haben Migranten schlechtere Chancen auf einen Arbeitsplatz als Deutsche. Das ergab ein internationaler Vergleich der OECD. Besonders groß ist die Diskriminierung bei Hochqualifizierten mit Migrationshintergrund.

Für Migranten lohnt sich die Einbürgerung. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat festgestellt, dass eingebürgerte Einwanderer bessere Chancen in Schule und Beruf haben. Trotzdem sinkt die Zahl der Einbürgerungen seit Jahren. 2007 gab es 113 000 neue Deutsche, ein Jahr später waren es 15 Prozent weniger. Kritiker bemängeln die hohen Hürden auf dem Weg zum deutschen Pass. Einbürgerungswillige müssen seit acht Jahren in Deutschland leben, den eigenen Lebensunterhalt sichern können und einen Einbürgerungs- sowie einen Sprachtest bestehen, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten.

Entgegen einer weit verbreiteten Meinung konnte keine Untersuchung die Vermutung bestätigen, dass sich Einwanderer in Parallelgesellschaften zurückziehen. Laut einer Studie des Zentrums für Türkeistudien aus dem Jahr 2007 verfügen 40 Prozent der Türkischstämmigen in Nordrhein-Westfalen über relativ enge freundschaftliche Beziehungen zu Deutschen. Diese wiederum berichten mehrheitlich von guten Erfahrungen mit Migranten. In einer Umfrage des Dimap- Instituts gaben 78 Prozent der Befragten an, im Alltag „eher gute Erfahrungen“ mit Migranten zu haben. Nicht einmal jeder zehnte berichtete von „eher schlechten“.

Auch bei der Mediennutzung existiert keine Parallelwelt. Knapp 90 Prozent der türkischen Migranten nutzen sowohl deutsche als auch türkische Medien. Doch weil sich Eingewanderte zu wenig in deutschen Medien wiederfinden, konsumieren sie lieber Zeitungen und Fernsehsendungen in ihrer Herkunftssprache.

Die neue Bundesregierung hat sich vorgenommen, die Migranten besser zu integrieren. Ihre Eingliederung in die Gesellschaft sei eine „Schlüsselaufgabe für Deutschland“, heißt es. Um die Sprachkenntnisse der Migranten zu verbessern, sollen die Integrationskurse ausgebaut werden. Auch die frühkindliche Sprachförderung soll nach dem Willen der Koalitionspartner intensiviert werden. In Zukunft soll es bundesweit Sprachtests für vierjährige Kinder und entsprechende Förderungen geben. Damit wollen Union und FDP die Benachteiligung in der Schule verhindern.

Auch will Schwarz-Gelb ausländische Abschlüsse künftig leichter anerkennen. Dazu will die Koalition spätestens im zweiten Halbjahr 2010 einen Gesetzentwurf vorlegen. Ab 2011 sollen Zuwanderer ein Recht auf ein Anerkennungsverfahren ihrer beruflichen Qualifikationen haben. Viele hochqualifizierte Migranten müssen derzeit als Niedriglöhner arbeiten, weil ihre im Ausland erworbenen Abschlüsse nicht anerkannt werden. Ungenutztes Potenzial, das der Staat gut gebrauchen könnte: Von einer bundesweit einheitlichen Regelung wären rund 500 000 Menschen betroffen.

Mehmet Ata

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