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Politik: Studieren am Bosporus

In Istanbul wird eine Deutsch-Türkische Universität gegründet

Berlin - Die europäische Integration der Türkei stagniert. Dem Land gelingt es bislang nicht, die Auflagen aus Brüssel zu Menschenrechten und Religionsfreiheit zu erfüllen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) setzt weiterhin auf die privilegierte Partnerschaft statt einer EU-Mitgliedschaft. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) aber haben der Türkei am Freitag in Berlin die Hand gereicht. Mit dem türkischen Außenminister Ali Babacan unterzeichneten sie eine Vereinbarung zur Gründung der Deutsch-Türkischen Universität Istanbul. Die Hochschule sei „ein Leuchtturm der Beziehungen zwischen unseren Ländern“, sagte Schavan im Auswärtigen Amt.

Die Botschaft ist klar: Als „weltoffene, wissenschaftliche Einrichtung“ soll die Universität eine „Brücke nach Europa“ bilden und in die Zivilgesellschaft hineinwirken, wie es aus den Ministerien heißt. Ein Modellprojekt also für die türkisch-europäische Annäherung – wo auch immer sie hinführt. 2009/2010 soll die Uni mit vier Fakultäten den Betrieb aufnehmen. Nach einer Aufbauphase können 5000 Studierende Bachelor-, Master- und Promotionsprogramme in den Natur- und Ingenieurwissenschaften, Wirtschafts-, Sozial- und Rechtswissenschaften sowie Geisteswissenschaften belegen. Die Absolventen sollen den wachsenden Fachkräftebedarf in der Türkei stillen. Die Wirtschaft am Bosporus boomt, und Deutschland ist einer der wichtigsten Handelspartner.

Attraktiv soll das Studium vor allem für Abiturienten aus der Türkei sein, die in der Schule Deutsch gelernt haben. Unterrichtet wird auf Deutsch, Türkisch und Englisch, die Absolventen erhalten von beiden Ländern anerkannte Abschlüsse. „In der Türkei gibt es ein großes Potenzial an Studierenden, und das türkische Angebot an Studienplätzen reicht bei weitem nicht aus“, sagt Stefan Hormuth, Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, der die Universität von deutscher Seite betreut.

Dabei hat Deutschland eigentlich eine türkische Bildungselite im eigenen Land, für die hoch qualifizierte Jobs in der Türkei durchaus interessant sind. An deutschen Hochschulen sind rund 24 000 Studenten mit türkischem Pass eingeschrieben. Die meisten sind Migranten, die in Deutschland Abitur gemacht haben. Gemessen an der Zahl von 2,5 Millionen hier lebenden Türken ist die Quote der Studierenden jedoch sehr gering. Die Istanbuler Universität soll auch junge Migranten aus Deutschland anziehen – und deutsche Abiturienten, die sich für eine binationale Karriere interessieren.

Bei der Unigründung geht es auch um wissenschaftliche Beziehungen. Die Hochschule solle einen Beitrag zur Entwicklung der Forschung in der Türkei leisten, sagt Schavan. Das breite Fächerspektrum sei „fundamental für das gegenseitige Verständnis von Staat, Gesellschaft und Kultur“. Die Universität ist denn auch Teil der Ernst-Reuter-Initiative, mit der Deutschland und die Türkei den interkulturellen Dialog ausbauen und für „gegenseitigen Respekt“ werben. Namensgeber Ernst Reuter, Berlins Nachkriegsbürgermeister, steht für die Tradition der deutsch-türkischen Beziehungen. Er fand im Nationalsozialismus in der Türkei Zuflucht und war Professor für Städtebau.

Der Bund will die Uni jährlich mit 3,5 Millionen Euro fördern – für deutsche Dozenten und Lektoren, das Sprachenzentrum und Stipendien. Die türkische Seite stellt Grundstück und Gebäude und finanziert den Betrieb. Ein Standort soll bis zum Sommer gefunden sein.

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