zum Hauptinhalt

Stuttgart 21: „Es gibt gute Gründe gegen den Bahnhof“

Die Baden-Württemberger haben sich deutlich für Stuttgart 21 ausgesprochen. Herr Geißler, ist der Weg für den unterirdischen Bahnhof endgültig frei?

Das war er vorher schon. Die Abstimmung war nur politisch-psychologisch von Bedeutung. Rechtlich nicht. Die Bahn hat das Baurecht und sie hat bereits angefangen zu bauen. In einem solchen Zustand kann man ein Projekt eigentlich nicht mehr abblasen. In der Abstimmung ging es nur darum, ob das Land sich beteiligt, wenn der Bahnhof gebaut wird. Um mehr nicht.

Hat Sie das Ergebnis überrascht?

Nein, hat es nicht. Wir haben vor einem Jahr diesen Faktencheck gemacht, die Schlichtung. Das haben über eine Million Menschen im Fernsehen angeschaut und sind so über die Fakten informiert worden. Zuvor waren nur 26 Prozent der Leute für Stuttgart 21 und 60 Prozent dagegen, danach hat sich die Sache genau umgedreht. Das Ergebnis gestern hat es nur noch mal bestätigt.

War also viel von dem Protest nur Uninformiertheit?

Das war ein völlig berechtigter Protest. Denn so wie das in Stuttgart gelaufen ist, konnte man es nicht machen. Und man wird es in Zukunft bei ähnlichen Projekten nicht wieder so machen. Alles wurde von oben entschieden, die Leute wurden nicht beteiligt. Einsprüche wurden erst wahrgenommen, da war alles schon entschieden. Das muss zukünftig andersherum laufen: Erst steht die Idee und wird mit der Öffentlichkeit diskutiert. Dann gibt es einen Faktencheck und es wird abgestimmt. Und dann erst wird gebaut. Die Gegner des Projekts haben sich also für die Entwicklung der Demokratie verdient gemacht und die Schlichtung war bei diesem Prozess ein wichtiger Bestandteil.

Die Parkschützer allerdings wollen nun trotz verlorener Abstimmung weiter protestieren, sie akzeptieren also die demokratische Entscheidung nicht. Haben Sie dafür Verständnis?

Natürlich kann man weiter protestieren, denn es gibt gute Gründe gegen den Bahnhof. Das Demonstrationsrecht ist durch die Abstimmung ja nicht abgeschafft. Ich würde den Stuttgart-21-Gegnern, auch den Grünen, aber jetzt empfehlen, darauf zu achten, dass der Bahnhof bürgerfreundlich gebaut wird. Es gab bei der Schlichtung viele Verbesserungsvereinbarungen. Die frei werdenden Grundstücke sollen zum Beispiel bürgerfreundlich verwendet werden, da sollen keine Großbanken ein „Klein-Manhattan“ aufbauen. Der Bahnhof muss behindertengerecht gebaut werden, das ist er nach bisherigen Planungen noch nicht. Es macht ja keinen Sinn, einen neuen Bahnhof zu bauen und Rollstuhlfahrer kommen nicht raus, wenn es brennt. Brandschutzvorschriften in den Tunnels müssen realisiert werden. Diese Aufgaben stehen der Bahn noch bevor, sie muss teilweise umplanen.

Es wird befürchtet, dass der Bau deutlich teurer wird als bisher von der Bahn angegeben. Was passiert dann?

Falls die Kosten höher ausfallen als erwartet – was ich für sehr wahrscheinlich halte –, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Bahn kommt für die Kosten auf, denn das Land hat ja beschlossen nicht mehr als die vereinbarten 930 Millionen Euro zu zahlen, oder die Bahn kommt doch auf meinen Vorschlag eines Kombi-Bahnhofs zurück: Nur vier Gleise unterirdisch für den Fernverkehr und der Regional- und Nahverkehr bleiben oben.

Diesen Vorschlag allerdings haben die Bahnverantwortlichen im August schon strikt abgelehnt ...
Sie haben ihn nur zum damaligen Zeitpunkt strikt abgelehnt, so war auch die Formulierung. Die Bahn musste schon oft Planungen umwerfen. Die Kosten für den Kombi-Bahnhof wären im Vergleich zu den jetzigen S-21-Plänen ein bis zwei Milliarden niedriger. Er müssten zum Beispiel weniger Tunnels gebaut werden und weniger Verzweigungsbauwerke. Auf diese Kombination umzusteigen wäre eine Möglichkeit für die Bahn, wenn die jetzige Planung zu teuer wird.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false