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Politik: Stuttgart prüft Gesinnung von Muslimen

Wer eingebürgert werden will, muss einen Fragebogen beantworten / Kritik aus Opposition und Ländern

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Berlin - Baden-Württemberg führt zum 1. Januar einen Gesinnungstest für einbürgerungswillige Muslime ein. Wer im Südwesten Deutscher werden will und aus einem der 57 islamischen Staaten kommt, muss nicht nur eine Erklärung unterschreiben, dass er auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung steht, sondern einen gesonderten Fragebogen beantworten.

Der baden-württembergische Innenminister Heribert Rech (CDU) hat Zweifel, „ob bei Muslimen generell davon auszugehen sei, dass ihr Bekenntnis auch ihrer tatsächlichen inneren Einstellung entspricht“. Der Fragebogen enthält nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ Fragen wie diese: „In Deutschland gehört der Sport- und Schwimmunterricht zum normalen Schulunterricht. Würden Sie ihre Tochter daran teilnehmen lassen?

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU), sagte dem Tagesspiegel, eine Gesinnung lasse sich nur schwer prüfen. Außerdem könne die Frage nach dem Schwimmunterricht nicht darüber entscheiden, ob jemand auf dem Boden der Verfassung stehe. „Trotzdem halte ich die Frage für legitim“, sagte er. Bosbach würde den Fragebogen nicht bundesweit einführen wollen. Für nahezu ausgeschlossen hält er, dass Stuttgart Muslimen die Staatsbürgerschaft wieder aberkennen kann, wenn sie im Fragebogen falsche Angaben gemacht haben sollten.

Für Bayern ist eine Vorgehensweise wie in Baden-Württemberg kein Thema. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte dem Tagesspiegel, es sei wichtig und unumgänglich, im Einbürgerungsverfahren genau zu prüfen, ob ein Bewerber auf dem Boden der deutschen Verfassung stehe. Dafür nutze der Freistaat seit 30 Jahren die Regelanfrage beim Verfassungsschutz. Ähnlich äußert sich eine Sprecherin des nordrhein-westfälischen Innenministeriums. „So etwas planen wir nicht. Wir sehen keinen Anlass für eine zusätzliche Befragung“, sagte sie dem Tagesspiegel. Auch ein Sprecher des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann (CDU) sagte, einen solchen Fragenkatalog für eine bestimmte Gruppe gebe es nicht, und er sei auch nicht geplant.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sagte dem Tagesspiegel, dass eingebürgert werde, wer sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekenne. Er warf Rech vor, mit dem Gesinnungstest Unfrieden zu schüren. „Eine Regelung, die sagt, wir müssen bei der Einbürgerung ein besonderes Auge auf Muslime werfen, ist diskriminierend.“ Er wies darauf hin, dass das Bundesverwaltungsgericht entschieden habe, dass in bestimmten Fällen die Befreiung vom Schwimmunterricht zulässig sei.

Die Oppositionsparteien im Bundestag betrachten den Vorstoß mit großer Skepsis. Der Stuttgarter Innenminister bewege sich mit dem Fragebogen verfassungsrechtlich auf dünnem Eis, sagte die rechtspolitische Sprecherin der FDP- Fraktion, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, dem Tagesspiegel. Sie sieht den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes durch den Test verletzt. „Es übersteigt außerdem die Kompetenzen des Innenministers, einem Menschen aufgrund einer Verwaltungsvorschrift die Staatsbürgerschaft zu entziehen“, sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Die Aberkennung der Staatsbürgerschaft könne nicht so geregelt werden, wie nun in Baden-Württemberg. Leutheusser- Schnarrenberger kritisierte, dass die Bewertung des Fragebogens subjektiv sei und die Daten in einer „Gesinnungsdatei“ gespeichert würden.

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck, hält den Test für „fragwürdig und heuchlerisch“. Das ganze erinnere ihn an die Kriegsdienstverweigererprüfung, sagte er dem Tagesspiegel. „Jeder kann über seine Gesinnung falsche Aussagen machen.“ Beck beklagte, dass Rech Muslime und Angehörige anderer Religionen mit zweierlei Maß bewerte. Er schlug vor, die Frage aufzunehmen, ob jemand die Gleichberechtigung von Homosexuellen befürworte. „Dann würde wahrscheinlich der Innenminister selbst durchfallen.“ Beck sieht eine Tendenz bei der Union, Muslime „unter Generalverdacht“ zu stellen, gibt aber zu, dass die im Fragenkatalog angesprochenen Punkte Probleme seien.

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