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 Ungewisse Zukunft: Ein Schuljunge vor einem Wahlplakat des ANC.

© REUTERS

Südafrika: Schwarze Loyalität

Die Regierungspartei ANC von Präsident Jacob Zuma verliert bei der Wahl in Südafrika die Zweidrittelmehrheit und gewinnt trotzdem haushoch.

Zum fünften Mal in Folge hat der Afrikanische Nationalkongress (ANC) die Wahlen in Südafrika deutlich gewonnen. Nach der Auszählung von mehr als 80 Prozent der Wahlzettel lag der ANC am Freitagmorgen bei 62,5 Prozent. Oberflächlich betrachtet ist diese satte Mehrheit ein Vertrauensbeweis für die frühere Widerstandsbewegung und ihren von Skandalen geplagten Präsidenten Jacob Zuma.

Doch der Schein trügt. Der Sieg erklärt sich vor allem aus der tiefen Loyalität vieler Schwarzer zum dominanten ANC. Fast 80 Prozent der Bevölkerung sind schwarz. Auch 20 Jahre nach Abschaffung der Rassentrennung und den ersten freien Wahlen zehrt die Partei von Nelson Mandela und ihrer Aura als Befreierin der Schwarzen vom Joch der Apartheid. Und das trotz der stark zunehmenden Korruption, einer hohen Arbeitslosigkeit von rund 40 Prozent und der mächtig eingetrübten Wirtschaftslage. Der Tod von Nelson Mandela, dem allseits verehrten Gründervater des neuen Südafrika und ersten schwarzen Präsidenten des Landes, im Dezember des vergangenen Jahres hat viel Nostalgie geweckt. Wechselwähler sind am Kap deshalb bis heute noch immer die Ausnahme.

Dass die festgefügten Rassenschablonen dennoch allmählich zerspringen, zeigt das gute Abschneiden der liberalen Demokratischen Allianz (DA) um Helen Zille, die ihren Stimmenanteil von 16 Prozent vor fünf Jahren auf 22 Prozent steigern konnte. Vor 20 Jahren war die DA noch bei weniger als zwei Prozent gestartet und hat seither ständig zugelegt. Auch ist es der Partei gelungen, die von ihr seit 2009 regierte Provinz Westkap mit Kapstadt als Kapitale mühelos zu verteidigen und in der wichtigen Wirtschaftsmetropole Johannesburg einen Achtungserfolg zu landen, auch wenn der ANC dort wohl am Ruder bleiben wird. Vieles deutet jedoch darauf hin, dass das industrielle Kernstück des Landes bei den Wahlen in fünf Jahren erstmals von der DA erobert werden könnte, was einem Erdbeben gleichkäme und die politische Landschaft am Kap komplett verändern würde.

Investoren dürften vor allem darüber erleichtert sein, dass die linksradikalen „Kämpfer für Wirtschaftsfreiheit“ (EFF) um den Populisten Julius Malema 5,3 Prozent der Stimmen erhielten und damit unter den Erwartungen blieben. Die EFF plant, Minen und Banken sowie das in weißen Händen befindliche Farmland ohne Entschädigung zu enteignen, was, wie das Nachbarland Simbabwe zeigt, für Südafrika ein Desaster wäre.

Für Jacob Zuma, dessen Amtszeit von zahlreichen Affären und Korruptionsskandalen geprägt war, wäre ein Wahlergebnis unter 60 Prozent politisch gefährlich geworden. Dann wäre er in seiner Partei wohl unter starken Druck geraten.

Ob der ANC den Dämpfer, die Zweidrittelmehrheit im Parlament verloren zu haben, zu einer internen Reformdebatte nutzen wird, ist offen. Viel wahrscheinlicher ist allerdings, dass der ANC darauf verzichtet. Denn mit jedem Jahr, das der ANC länger regiert, betrachtet dieser den südafrikanischen Staat mehr noch als bisher als seinen Besitz. Politische Beobachter haben die Sorge, dass sich der ANC, sollte er in Zukunft dann doch einmal abgewählt werden, die Macht nicht freiwillig abgeben würde. Robert Mugabe in Simbabwe hat es vorgemacht. Bereits in seiner ersten Amtszeit hat Präsident Zuma mit seiner enormen Machtfülle immer wieder versucht, die Verfassung des Landes auszuhebeln, um das Spielfeld weiter zu seinen Gunsten zu verändern. Auch hat seine Partei sich schamlos bei staatlichen Ressourcen bedient, zuletzt beim steuerfinanzierten Ausbau von Zumas Privatanwesen im Dorf Nkandla, das für fast 20 Millionen Euro mit Steuergeldern luxuriös renoviert wurde. Zumas Bestreben, viele Schlüsselstellen in einst unabhängigen Institutionen wie der Polizei, Verwaltung oder im Staatsfernsehen mit ihm treu ergebenen Gefolgsleuten zu besetzen, ist ein klares Indiz dafür, dass der ANC seine Macht dauerhaft sichern will.

Dennoch gibt das Wahlergebnis Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Die Opposition hat bewiesen, dass sie sich behaupten kann. Das gibt auch der lebendigen Zivilgesellschaft in Südafrika Auftrieb. Das kann der jungen Demokratie am Kap nur nutzen.

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