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Georgische Soldaten

© AFP

Südossetien-Krise: Russland unter Zugzwang

Die Krise um die abtrünnige Provinz Südossetien spitzt sich seit Tagen zu. Georgien rasselte mit dem Säbel und die abtrünnige Provinz schien auf den Angriff nur zu warten. Russland sieht sich gezwungen Südossetien nicht allein lassen (80 Prozent der Bevölkerung besitzt einen russischen Pass) - die Intervention aber könnte sich schnell zu einem Stellvertreterkrieg ausweiten.

Selbst Experten befürchten, die Positionsgefechte, die sich Regierungstruppen und Selbstverteidigungskräfte der Separatisten seit Tagen an den Grenzen zwischen Georgien und dessen abtrünniger Autonomie Südossetien liefern, könnten zu einem regionalen Krieg eskalieren. Erklärungen, in denen beide Seiten der jeweils anderen vorwerfen, die Feindseligkeiten eröffnet zu haben, kommen im Stundentakt und werden immer schriller. Bereits am Wochenende hatte Südossetien Frauen und Kinder nach Russland evakuiert.

Auch der Ton von Mitteilungen des russischen Außenamtes, das bisher beide Seiten zu Besonnenheit mahnte, nimmt an Schärfe zu. Georgiens Vorgehen in der Region, so Vizeaußenminister Grigori Karassin, müsse als Vorbereitung für einen Krieg gewertet werden. Spätestens Anfang September, so Separatistenchef Eduard Kokoity, mit dem der Diplomat zuvor telefoniert hatte, rechne er mit einer bewaffneten Intervention Georgiens. Südossetien indes sei nicht nur für den Verteidigungsfall vorbereitet, sondern auch für einen Angriff. "Unsere Truppen", so zitierte ihn die Moskauer Nachrichtenagentur RIA nowosti, "warten nur auf einen entsprechenden Befehl".

Der Schwanz steuert den Hund

Damit bringt der Separatistenchef seine Paten in Moskau in einige Verlegenheit. Zwar ist der Kreml an Spannungen auf hohem Niveau im Krisengebiet durchaus interessiert, um einen NATO-Beitritt Georgiens möglichst lange zu verzögern. Denn die Allianz hat konkrete Termine für den Verhandlungsbeginn von Lösungsansätzen für Georgiens Konflikte mit Abchasien und Südossetien abhängig gemacht. Einen Waffengang wollte der Kreml indes vermeiden. Zum einen wegen der militärischen Risiken. Zum anderen wegen geopolitischer Konsequenzen: Beobachter sehen in dem Konflikt - zu Recht - einen Stellvertreterkrieg zwischen den USA, die hinter Georgien stehen, und Moskau als Schutzmacht Südossetiens. Den USA geht es Sicherheit für den Transport kaspischen Öls und um die strategische Bedeutung des Kaukasus an der Schwelle zu Iran, Irak und Russland. Moskau wiederum will die Interessen seiner Bürger schützen - in Nord- und Südossetien haben 80 Prozent der Bevölkerung einen russischen Pass.

Dort indes kocht man, wie Alexej Muchin vom Zentrum für politische Information vermutet, längst ein eigenes Süppchen: Durch stetige Eskalation der Spannungen wollten die der Separatisten Moskau zwingen, sich noch eindeutiger als bisher für sie zu engagieren und Forderungen nach Wiedervereinigung mit der Nordhälfte des Landes erfüllen, die zu Russland gehört. Ein Kommentator fand drastischere Worte für die Art und Weise, mit der die Separatisten das bisherige Abhängigkeitsverhältnis geradezu auf den Kopf stellten: Nicht der Hund steuere den Schwanz, sondern der Schwanz den Hund.

In Südossetien sollen freiwillige Milizen kämpfen

Angesichts dieser Zwänge ist Moskau offenbar entschlossen, statt regulärer Einheiten Freiwillige in Südossetien kämpfen zu lassen: Kosaken und Angehörige halblegaler, nach ethnischem Prinzip organisierter Milizen aus den nordkaukasischen Teilrepubliken. Diese hatten 1993 schon in Abchasien gegen die georgischen Regierungstruppen gekämpft. Darunter auch Elite-Einheiten der tschetschenischen Separatisten. Moskau öffnete ihnen für den Durchzug damals sogar einen Korridor im Westkaukasus und versorgte sie großzügig mit Waffen. Waffen, mit denen, als Moskau ein Jahr später den Krieg in Tschetschenien begann, Tausende russische Soldaten getötet wurden.

Diese Klientel jetzt in Südossetien kämpfen zu lassen, könnte sich für Moskau als ähnlich folgenschwerer Fehler erweisen. Für ihre Dienste könnte die Kämpfer für ihre Volksgruppen ähnliche Autonomie verlangen wie Ramzan Kadyrow für Tschetschenien und die Forderungen, sollte Moskau sich weigern, mit Waffengewalt durchsetzen.

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