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Politik: Symbolischer Friede

Prominente Israelis und Palästinenser schließen am Montag in Genf einen Vertrag – ohne die Regierungen

Eines Tages wird er möglicherweise die Grundlage eines endgültigen Friedensabkommens zwischen Palästinensern und Israelis bilden. Doch bisher hat der Plan, der am Montag in Genf im Beisein hoher Persönlichkeiten aus beiden Ländern unter den Augen der Schweizer Außenministerin Michele Calmy-Rey und des ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter unterzeichnet werden soll, nur symbolischen Charakter. Denn die Unterzeichner auf beiden Seiten sind nicht in der Regierung: der ehemalige israelische Justizminister Jossi Beilin und der ehemalige palästinensische Informations- und Kulturminister Jassir Abed-Rabbo.

Die geheimen Verhandlungen, die vom Schweizer Außenministerium gesponsert worden waren, zogen sich über Monate hin, am 12. Oktober wurde das Dokument bei einem Treffen in Jordanien fertiggestellt. Anders als die „Road Map“ enthält der 35-seitige Vertragsentwurf detaillierte Lösungsvorschläge für schwierige Fragen wie Flüchtlinge, den Status von Jerusalem und Siedlungen, die bisher oft ausgeklammert wurden.

Der „Genfer Plan“, der an 1,9 Millionen israelische Haushalte verschickt und in der palästinensischen Zeitung „Al-Quds“ abgedruckt wurde, hat bereits heftige Debatten und Reaktionen ausgelöst. US-Außenminister Colin Powell hat die Initiative „willkommen“ geheißen, UN-Generalsekretär Kofi Annan hat sie gelobt. Israels Regierungschef Ariel Scharon verurteilte dagegen den Plan und bezeichnete es als „schädlich“ für Israel, dass Privatleute Abkommen unterzeichnen, die nur von Regierungen vereinbart werden könnten. Der palästinensische Premier Ahmed Kurei hat sich dagegen demonstrativ hinter die Initiative gestellt. Dies überrascht kaum, denn auch wenn der palästinensische Unterhändler Abed-Rabbo kein Regierungsamt mehr inne hat, ist er dennoch ein enger Vertrauter Arafats. Beobachter nehmen deshalb an, dass Arafat seine Zustimmung zu den Geheimverhandlungen gegeben hatte.

Das Abkommen sieht schmerzliche Kompromisse für beide Seiten vor: So verzichten die Palästinenser auf die Umsetzung des Rückkehrrechts für Flüchtlinge: Sie sollen kompensiert werden und in dem neuen Palästinenserstaat sowie Drittländern eine neue Heimat finden. Etwa 30 000 der etwa vier Millionen Flüchtlinge und ihrer Nachkommen dürfen nach Israel zurückkehren. Israel muss die meisten Siedlungen in den Palästinensergebieten räumen, die Blöcke um Jerusalem herum werden Israel zugeschlagen. Dafür werden die Palästinenser mit Land an der Grenze des Gaza-Streifens kompensiert. Die Souveränität des Tempelbergs wird den Palästinensern übertragen, die Klagemauer kommt unter Israels Oberhoheit.

Erwartungsgemäß kritisieren israelische und palästinensische Hardliner den Plan. Doch auch Mustafa Barghouti, einer der führenden Köpfe der palästinensischen Zivilgesellschaft, ist skeptisch. Der Plan ersetze die „Realität durch eine virtuelle Realität“, sagt er. So sei eine Zwei-Staaten-Lösung bald nicht mehr möglich, weil Israel durch den Mauerbau palästinensische Städte und Dörfer zu Enklaven mache, die nicht lebensfähig sind, und immer mehr Land annektiere. Wichtiger als neue Pläne sei ein Sinneswandel breiter Bevölkerungsteile auf beiden Seiten, damit die bereits vorliegenden Abkommen umgesetzt werden könnten, sagte Barghouti dem Tagesspiegel am Sonntag. „Man kann sich auch zu Tode verhandeln.“

Auf palästinensischer Seite glaubt niemand, dass eine Lösung des Konfliktes mit Ariel Scharon möglich ist. Hier ist die Hoffnung, dass der inoffizielle „Genfer Plan“ das Friedenslager auf israelischer Seite stärken kann. So plant Jossi Beilin die Gründung einer neuen Partei im Frühjahr, die den „Genfer Plan“ in ihr Parteiprogramm übernehmen soll.

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