zum Hauptinhalt
Demonstration in der syrischen Hafenstadt Banias.

© Reuters

Syrien: Assad lässt auf Demonstranten schießen

Bei den bisher größten Demonstrationen schießen syrische Sicherheitskräfte auf die Menschen, mindestens 70 Protestierende werden getötet. US-Präsident Obama verurteilt das Blutbad.

In Syrien hat sich die Konfrontation zwischen der Bevölkerung und dem Regime trotz politischer Zugeständnisse von Präsident Bashir al Assad weiter verhärtet. Bei den bisher größten Demonstrationen schossen Sicherheitskräfte am Freitag erneut mit scharfer Munition auf die Menschen. Nach Berichten von Freitagabend wurden mindestens 70 Demonstranten getötet und zahllose verletzt. Nach einer neuen Zählung syrischer Aktivisten sind gar 112 Demonstranten getötet worden. Die Oppositionsbewegung spricht bereits vom „Karfreitags-Massaker“. „Wir fordern den Sturz des Regimes“, skandierte Augenzeugen zufolge eine Menge von mehr als zehntausend Menschen in Douna und Midan, Vororten von Damaskus, und rief „Freiheit, Freiheit“.

Zu ähnlichen Großkundgebungen kam es auch in den Städten Homs und Daraa, die sich immer mehr zu Zentren des Aufstands entwickeln. In der Küstenstadt Banias, der kurdischen Metropole Qamishli im Norden und der Wüstenstadt Deir al Zor im Osten gingen tausende Menschen auf die Straße. Sie forderten die Auflösung der Staatssicherheit und die Freilassung aller politischen Gefangenen. In Hama eröffneten Scharfschützen von Dächern das Feuer auf die Menge, als sie zum örtlichen Hauptquartier der Baath-Partei marschieren wollte. Ausländischen Journalisten ist seit Beginn der Unruhen der Zugang nach Syrien verwehrt. In vielen Städten sind Telefon, Internet und Handynetz unterbrochen, so dass die Informationen nur spärlich fließen.

US-Präsident Barack Obama hat die Gewalt gegen die Demonstranten in Syrien „auf das Schärfste“ verurteilt. Der „abscheuliche Einsatz von Gewalt zur Unterdrückung der Proteste“ müsse umgehend aufhören, erklärte Obama am Freitag in Washington. Er forderte den syrischen Präsidenten auf, die Rechte und Wünsche seines Volks zu respektieren. Obama warf dem syrischen Staatschef vor, sich vom Iran bei der Unterdrückung seines Volks unterstützen zu lassen. Er spielte damit auf Berichte an, wonach Teheran Syrien unter anderem mit der Technik zur Ausspionierung der Opposition versorgt.

Tags zuvor hatte Assad versucht, die Lage im Land mit ersten konkreten politischen Zugeständnissen zu beruhigen. So hob er per Dekret den seit 1963 geltenden Ausnahmezustand auf. Fast fünfzig Jahre lang waren öffentliche Versammlungen von mehr als fünf Menschen verboten. Kritiker des Regimes konnten jederzeit ohne Angabe von Gründen verhaftet werden. Mit einem zweiten Dekret schaffte der bedrängte Staatschef den berüchtigten Sondergerichtshof ab, der tausende politische Gefangene zu langen Haftstrafen verurteilt hat. Ein drittes Dekret lässt ab sofort friedliche Demonstrationen zu, wie dies „die syrische Verfassung garantiert“. Ungeachtet dessen jedoch gingen die Sicherheitskräfte am Freitag in gewohnt brutaler Manier vor. Weitere politische Reformen wie Pressefreiheit oder das Ende des Einparteiensystems versprach der Präsident zu prüfen, ohne sich konkret festzulegen.

Über Facebook hatten die Organisatoren für Karfreitag zu den Demonstrationen aufgerufen. In ihrem ersten gemeinsamen politischen Memorandum forderten sie die Abschaffung des Machtmonopols der Baath-Partei sowie die Einführung eines Mehrparteiensystems. „Alle politischen Gefangenen müssen freigelassen werden, die Staatssicherheit aufgelöst und durch Institutionen ersetzt werden, die nach Recht und Gesetz handeln“, hieß es in der Erklärung weiter.

Auch in Jemens Hauptstadt Sanaa kam es am Freitag erneut zu Kundgebungen von Gegnern und Unterstützern von Präsident Ali Abdullah Saleh. Zuvor hatte der Golf-Kooperationsrat Saleh vorgeschlagen, die Macht in 30 Tage an eine Übergangsregierung zu übergeben. Im Gegenzug sicherten die arabischen Vermittler ihm und seiner Familie Straffreiheit zu. Saleh jedoch scheint wenig geneigt, darauf einzugehen; er bezeichnete sich in einer Rede als „legitimen Herrscher“ . Auch im Sultanat Oman protestierten rund tausend Menschen nach dem Freitagsgebet.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false