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© AFP

Syrien: „Es gibt viel Geld unter der Matratze“

Syriens Vizepremier Abdallah al Dardari über Reformen in seinem Land – und die Grenzen der Zivilgesellschaft.

Sind Sie zufrieden mit der Umsetzung der Wirtschaftsreformen?

Dieses Land war immensem politischem Druck und politischen Turbulenzen in seiner Nachbarschaft ausgesetzt. Wir haben dennoch sehr weit reichende Wirtschaftsreformen durchgesetzt.

Was wurde durch die politischen Spannungen verschoben?

Wir sähen gerne mehr internationale Banken in Syrien. Aber der US-Boykott der staatlichen Commercial Bank of Syria macht dies sehr viel schwieriger. Wichtiger noch ist das EU-Assoziationsabkommen, das wir gerne 2005 unterschrieben hätten. Das wurde aus politischen Gründen blockiert. Damals war die Unterzeichnung des Abkommen entscheidend für uns. Wir haben es als Vehikel für Reformen angesehen. Heute haben viele unserer Reformen – Abbau der Zölle, Reform des Bankensystems – die in dem Abkommen niedergelegten Forderungen längst übertroffen.

Syrien hat also gar kein Interesse mehr an der Wiederaufnahme der Verhandlungen?

Wir sind bereit, den vorliegenden Text zu unterzeichnen, wie er heute aussieht. Aber wenn die EU zusätzliche politische Bedingungen stellt, sehe ich nicht, warum wir neu verhandeln sollten.

Woher kommt das viele Geld, das jetzt in Autos, Immobilien und Handel fließt?

Dieses Land hat viel Geld unter der Matratze, nur gab es bisher keine Möglichkeiten, es zu investieren. An zweiter Stelle steht Geld von Syrern aus dem Ausland, insbesondere aus Libanon. Aus politischen Gründen ist es nach Syrien geflossen – zu einem Zeitpunkt, als hier private Banken geschaffen wurden.

Der Abzug der syrischen Armee 2005 aus Libanon hat die Entwicklung beflügelt?

Er war ein gut verpackter Segen. Der interne Tourismus ist 2007 rasant gestiegen und hat eine Milliarde US-Dollar zum Bruttosozialprodukt beigetragen.

Wagen Sie sich an den Abbau von Energiesubventionen?

Wir können das existierende Subventionssystem nicht fortsetzen. Darüber haben wir in den vergangenen sechs Monaten sehr ausführlich diskutiert, in einer sehr transparenten Weise. Das allein ist ein Fortschritt – unabhängig vom Ergebnis. Und so haben wir kürzlich die Benzinpreise um 20 Prozent angehoben.

Es gibt neue Villenviertel, Autoläden, Einkaufszentren mit internationalen Produkten – aber kaum Kredite für Privatleute.

Die erste Bank für Mikrofinanz wurde zugelassen, kofinanziert vom Agha-Khan- Fund und der deutschen KfW Förderbank. Ein neues Gesetz wird es Banken erlauben, Kredite an Privatleute zum Hauskauf zu vergeben. Im Januar wird die Regulierungsbehörde für das Kreditwesen ihre Arbeit aufnehmen.

Die Weltbank hat Syrien kürzlich schlechte Noten ausgestellt – insbesondere wegen der Korruption.

Die syrische Wirtschaft ist enorm gewachsen und damit steigen die Korruptionsfälle. Außerdem berichten die syrischen Medien viel mehr über Korruption als noch vor fünf Jahren. Dies erweckt den Eindruck, als würde die Korruption ansteigen. Aber das glaube ich nicht.

Im Fünf-Jahres-Plan von 2005 wird auch die Stärkung der syrischen Zivilgesellschaft gefordert. Aber wird diese Entwicklung nicht immer noch stark behindert?

Die Zivilgesellschaft wächst unglaublich schnell. Von 1980 bis 2004 wurden 300 Nichtregierungsorganisationen zugelassen. Seit 2004 haben wir 2000 NGOs zugelassen in den Feldern Umwelt, Erziehung, Kultur, Wirtschaft, Musik. Früher gab es nur karitative Vereinigungen, nun wird die Zivilgesellschaft viel bunter.

Solange sie nicht sensible politische Themen berühren?

Das ist nicht ihre Aufgabe. Wenn Sie Politik machen wollen, gibt es politische Parteien. Vielleicht sind unsere Definitionen von Zivilgesellschaft unterschiedlich. Für uns bedeutet Zivilgesellschaft, dass die Menschen ihre eigenen Belange in die Hand nehmen sollen.

Warum werden dann Websites wie Facebook oder selbst regierungsnahe Publikationen wie Schabablik vom Staat blockiert?

Ehrlich gesagt, das weiß ich nicht.

Das Gespräch führte Andrea Nüsse.

Abdallah al Dardari (43) ist seit 2005 Syriens Vizepremierminister für Wirtschaftsfragen. Zuvor hat er unter anderem für das Weltentwicklungsprogramm UNDP gearbeitet.

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