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Training im Feld. Diese Mitglieder der Freien Syrischen Armee üben den Gebrauch von Panzerfäusten in der Nähe von Homs. Foto: AFP

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Syrien: Mit Panzerfaust und Satellitentelefon

Syriens Opposition kämpft immer professioneller – dank US-Kommunikationsgerät und Waffen von den Nachbarn. Doch niemand kontrolliert, wer die Waffen wie einsetzt.

Familienväter, Hausfrauen, Kinder oder Deserteure – die Meldungen syrischer Aktivisten über die anhaltende Gewalt in ihrem Land lassen keinen Zweifel daran, dass vor allem die Zivilgesellschaft und die Opposition unter Angriffen und Bombardements zu leiden haben. Doch in jüngster Zeit verzeichnen die Beobachter immer häufiger Berichte über den gewaltsamen Tod von Regierungsanhängern. So wurde jetzt ein Funktionär der regierenden Baath-Partei in der Stadt Dschisr al Schugur in der Nähe der Grenze zur Türkei von Unbekannten getötet. Die bewaffnete Opposition in Syrien wird stärker – nicht zuletzt dank Waffen und Geld aus den reichen Golfstaaten sowie logistischer Hilfe durch die USA.

Die Assad-Regierung machte die Opposition nicht nur für einzelne Mordkomplotte, sondern auch für verheerende Selbstmordanschläge verantwortlich, bei denen in jüngster Zeit viele Zivilisten ums Leben kamen. Die Regimegegner weisen das zurück: Sie sind überzeugt, dass das Regime bomben lässt, um der Opposition anschließend die Schuld zuzuschieben. Nachprüfen lassen sich die gegenseitigen Vorwürfe nicht.

Fest steht aber, dass im blutigen Alltag des Konflikts die Zahl der gezielten Mordanschläge auf Anhänger des Regimes und regierungsfreundliche Geschäftsleute zunimmt, wie das Syrische Observatorium für Menschenrechte jetzt mitteilte. Eine Sondereinheit der „Freien Syrischen Armee“ (FSA), der aus Deserteuren gebildeten Oppositionstruppe, hat nach Angaben der FSA hochrangige Regimevertreter getötet, darunter einen engen Verwandten von Staatspräsident Baschar al Assad. Damaskus dementierte.

Auch bei den täglichen Gefechten zwischen Regierungstruppen und bewaffneter Opposition zeichnet sich eine Veränderung ab. Nach Presseberichten verfügt die FSA, deren Soldaten lange Zeit nur die von Deserteuren mitgebrachten Kalaschnikow-Schnellfeuergewehre besaßen, inzwischen über durchschlagendere Waffen wie Panzerfäuste.

Das Gerät stammt demnach entweder von korrupten syrischen Armeeangehörigen oder aus Nachbarstaaten. Bezahlt wird es mit dem Geld der reichen Ölmonarchien am Golf. Die Assad-feindlichen Araber hatten der Opposition im April bis zu 200 Millionen Dollar an Hilfe zugesagt. Laut „Washington Post“ hat die Opposition in Jordanien und in mehreren Teilen Syriens wie der Grenzgegend zur Türkei eigene Waffenlager eingerichtet.

Gleichzeitig ist offenbar die von den USA versprochene Hilfe für die FSA in Form von Kommunikationsgeräten angelaufen. Die Angriffe syrischer Rebellen auf Assads Regierungstruppen sind professioneller organisiert als noch vor Monaten. Das ist ein Hinweis auf eine bessere Koordination der Aufständischen untereinander, womöglich mithilfe von US-Satellitentelefonen, und auf eine bessere Ausbildung. Ob das Ausland auch dabei seine Hände im Spiel hat, ist unklar. Der frühere US-Nahostgesandte George Mitchell sagte kürzlich, er sei sicher, dass Washington über militärische Optionen unterhalb der Schwelle eines direkten Eingreifens in Syrien nachdenke.

Die Assad-Regierung beklagt, die Oppositionskräfte würden vom Ausland gestützt; gemeint sind besonders die Golfstaaten und die Türkei. Ankara wird vorgeworfen, der FSA-Spitze eine sichere Zuflucht zu bieten und den Waffenschmuggel über die 900 Kilometer lange Landgrenze zu dulden.

Angesichts der wachsenden Stärke der bewaffneten Opposition gibt es Anzeichen für Nervosität bei der syrischen Regierung. Die türkischen Behörden vereitelten nach eigenen Angaben jetzt einen Versuch der Syrer, Riad al Asaad zu entführen, den in die Türkei geflohenen Chef der FSA. Bereits im Februar hatten die türkischen Behörden einen türkischen Geheimagenten festnehmen lassen, der zwei andere FSA-Offiziere gegen einen Lohn von 100 000 US-Dollar nach Syrien verschleppt haben soll.

Die Stärkung der bewaffneten Aufständischen wirft aber auch heikle Fragen auf. So stehen einige Rebellentrupps in Syrien im Verdacht, finanzielle Rückendeckung aus Saudi-Arabien dazu zu nutzen, anderen Teilen der Opposition ihren Willen aufzuzwingen. Eine effiziente politische Führung der diversen bewaffneten Gruppen in Syrien existiert nicht: Der Dachverband Syrischer Nationalrat taumelt von einer Krise in die nächste. Daher kontrolliert keine zentrale Organisation, wie diese Waffen verwendet werden.

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