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Syrien: Türkei schließt Waffenhilfe für Rebellen nicht aus

Außenminister Ahmet Davutoglu im Tagesspiegel-Interview: Die internationale Gemeinschaft ist gefordert, das Blutvergießen zu beenden. Ab diesem Sonntag beraten 75 Staaten in Istanbul über das weitere Vorgehen.

Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu hat das Vorgehen der Regierungstruppen in Syrien gegen die Protestbewegung mit dem Bosnien-Krieg im ehemaligen Jugoslawien verglichen und eine Bewaffnung der Opposition nicht ausgeschlossen. Wie in Bosnien in den 1990er Jahren gebe es heute in Syrien einen „asymmetrischen Krieg“ zwischen einer hochgerüsteten Armee und „Opfern ohne angemessene Mittel zur Selbstverteidigung“, sagte Davutoglu dem Tagesspiegel. Sollte die internationale Gemeinschaft bei dem Versuch scheitern, das Blutvergießen in Syrien zu beenden, seien Forderungen der syrischen Opposition nach Waffenlieferungen aus dem Ausland legitim.

Davutgolu äußerte sich vor der Istanbuler Konferenz der „Freunde Syriens“, bei der an diesem Sonntag nach den Worten des Ministers Repräsentanten aus mindestens 75 Staaten über Wege beraten wollen, den Druck auf das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al Assad zu erhöhen und die humanitäre Versorgung der Opfer der Unruhen in Syrien zu sichern. Davutoglu sagte, das zweite Treffen nach einer ersten Konferenz in Tunis im Februar werde „neue Maßnahmen“ gegen das Assad-Regime beschließen. Einzelheiten wollte er mit Rücksicht auf die anstehenden Beratungen nicht nennen. Der Türkei mit ihrer 900 Kilometer langen Landgrenze zu Syrien würde bei groß angelegten Waffenlieferungen an die Rebellen eine Schlüsselrolle zufallen.

Trotz aller Warnungen vor einer Militärintervention gingen die Waffenlieferungen an die syrische Regierung ungebrochen weiter, sagte Davutoglu. „Das ist nicht hinnehmbar.“ Nach seinen Worten sind inzwischen 60 000 Soldaten der regulären syrischen Truppen desertiert. Bisher stamme die Bewaffnung der syrischen Regimegegner größtenteils von diesen Deserteuren, sagte er. Wenn die Repression weiter anhalte und die internationale Gemeinschaft nichts dagegen unternehme, „dann werden die Leute annehmen, dass sie ein Recht auf Selbstverteidigung haben“. Die Verantwortung liege bei der internationalen Gemeinschaft und weniger bei den Menschen, die von den Regierungsschergen angegriffen würden. Assads Regime habe seine Legitimation in dem Moment verloren, in dem reguläre Truppen syrische Städte mit Artillerie, Hubschraubern und Kriegsschiffen angriffen, sagte Davutoglu. „Selbst wenn man gegen ein anderes Land kämpft, ist es ein Kriegsverbrechen, ganze Städte zu bombardieren.“ Im Fall des israelischen Angriffs auf Gaza Ende 2008 habe die Türkei eine solche Operation ebenfalls als „Verbrechen“ verurteilt.

Assad unterliege der „Illusion der Diktatoren“, sagte Davutoglu. „Sie glauben, wenn sie Zeit gewinnen, können sie die Situation kontrollieren und dann kosmetische Veränderungen einführen.“ Dieses Kalkül werde in Syrien aber ebenso wenig aufgehen wie in anderen Staaten, die autokratische Regime abgeschüttelt hätten.

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