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Die Oppositionellen hoffen, dass der Aufstand gegen das Regime von Machthaber Assad erfolgreich sein wird.

© Reuters

Syrien: Warnung vor dem Flächenbrand

In der Syrien-Kontaktgruppe werden militärische Lösungen diskutiert – Bundesaußenminister Guido Westerwelle ist dagegen. Er setzt auf den Friedensplan von UN-Vermittler Kofi Annan.

Manchmal fällt es selbst einem auf Ausgleich bedachten Chefdiplomaten nicht leicht, den Eindruck von Einigkeit zu vermitteln, wenn gegensätzliche Interessen das Bild bestimmen. Natürlich sei die Ungeduld des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan mit der Lage in Syrien und den bisher nicht sehr fruchtbaren Friedensbemühungen angebracht, sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) am Sonntag in Istanbul. Aber es sei auch angebracht, weiter nach einer politischen Lösung zu suchen, statt auf die militärische Karte zu setzen. „Noch“ habe der Friedensplan von Vermittler Kofi Annan eine Chance, sagte Westerwelle. Doch der Bundesaußenminister erlebte bei der zweiten Konferenz der Syrien-Kontaktgruppe, dass andere Mitglieder der Gruppe das durchaus anders sehen.

Erdogan hatte seine Eröffnungsansprache bei dem Treffen der „Freunde Syriens“ zu heftiger Kritik am UN-Sicherheitsrat genutzt, wo Russland und China ihre schützende Hand über das Assad-Regime halten. Derzeit zeichne sich ab, dass der syrische Präsident Baschar al Assad erneut nur auf Zeit spiele und den Annan-Plan zur zum Schein angenommen habe, während die Gewalt weitergehe, sagte Erdogan. Wenn der Sicherheitsrat nun erneut versage, dann habe die syrische Opposition das „Recht auf Selbstverteidigung“ – sprich: das Recht auf Waffenlieferungen aus dem Ausland.

Einige Golf-Staaten gingen in Istanbul noch weiter als Erdogan. Sie versprachen der syrischen Opposition viel Geld für Kämpfer, die in Syrien Widerstand gegen die Assad-Truppen leisten. Der syrische Oppositionspolitiker Haitham al Maleh sprach von 200 Millionen Dollar, die von Saudi-Arabien, Katar und anderen Staaten kommen sollten. Ein entsprechender Fonds werde in Kürze eingerichtet, sagte Maleh. 200 Millionen Dollar sind viel Geld – aber nach Meinung Malehs nicht genug: „Wir hatten sie um Milliarden gebeten.“ Auch andere Oppositionsvertreter forderten in Istanbul, das Reden müsse ein Ende haben, harte – militärische – Maßnahmen gegen Assad seien das Gebot der Stunde. „Es muss sich etwas ändern“, sagte der Chef des Oppositions-Dachverbands Syrischer Nationalrat (SNC), Burhan Ghalioun. Die Kontaktgruppe erkannte den SNC nur als Dachorganisation der Opposition in Syrien an. Dagegen hatte der Nationalrat darauf gesetzt, als alleiniger Vertreter Syriens anerkannt zu werden und damit auf internationaler Bühne an die Stelle des Regimes in Damaskus zu treten.

Westerwelle lehnte die Tendenz hin zu einer militärischen Lösung ab. Er lobte zwar den SNC-Chef für dessen Bekenntnis zu demokratischen Grundwerten, die nach einem Machtverlust von Assad in Syrien herrschen sollen. Westerwelle warnte aber auch vor einem regionalen „Flächenbrand“, der entstehen könne, wenn der Konflikt in Syrien weiter militarisiert werde. Berichte über bereits begonnene Waffenlieferungen Saudi-Arabiens an die syrische Opposition wollte er nicht kommentieren.

Das Schlussdokument des Istanbuler Treffens enthielt deshalb ein Signal der Unterstützung für Syrien-Vermittler Annan – aber auch den Hinweis, dass Annans Mission nicht endlos weitergehen könne. Annan soll den Syrern eine Frist zur Erfüllung der in seinem Plan erhobenen Forderungen setzen, was vor allem die Einstellung der Kampfhandlungen angeht. Sollten die Gefechte weitergehen, soll sich erneut der UN-Sicherheitsrat mit dem Thema Syrien befassen. In Istanbul gab es Delegationen, denen diese Kompromisse nicht weit genug gingen.

Die am Bosporus zutage getretenen Differenzen erklären sich aus der Geografie, aber vor allem aus machtpolitischen Faktoren. Erdogan verwies darauf, dass die Türkei eine mehr als 900 Kilometer lange Landgrenze mit Syrien habe – Ankara erlebt das syrische Problem als dringendere Krise als andere Länder.

Diese Interessengegensätze spiegelten sich in langen und zähen Verhandlungen über die Schlusserklärung hinter den Kulissen. Es ging dabei unter anderem um die schließlich abgelehnte Forderung einiger Länder, Assad ein zeitlich klar begrenztes Ultimatum für die Umsetzung seiner Zusagen an Annan zu geben.

Assads Regime war in Istanbul zwar nicht eingeladen, demonstrierte aber deutlich, was es von der am Bosporus erhobenen Forderung nach Umsetzung der Zusagen an Annan hielt. Assads Regierung erklärte den Aufstand der Opposition für beendet und betonte gleichzeitig, die Armee werde erst dann aus den Städten abgezogen, wenn „Frieden und Sicherheit“ gewährleistet seien. Dies steht im Gegensatz zu Annans Aufruf an die Syrer, die Gewalt „sofort“ einzustellen.

Für ein Ende der Gewalt gab es aber keine Anzeichen. Bei Kämpfen im Osten Syriens, im Nordwesten und in der Nähe von Damaskus starben nach Oppositionsangaben am Sonntag 16 Menschen.

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