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Politik: Syriens neuer Staatschef: Der Vater war für die USA berechenbar. Sie hoffen, dass der Sohn ihm ähnlich ist

Neulich saßen US-Präsident Clinton und Israels Premier Barak nebeneinander auf dem Sofa im Oval Office des Weißen Hauses. Barak erklärte Clinton, warum er voller Respekt sei, wenn es um Syriens Präsident Assad gehe.

Neulich saßen US-Präsident Clinton und Israels Premier Barak nebeneinander auf dem Sofa im Oval Office des Weißen Hauses. Barak erklärte Clinton, warum er voller Respekt sei, wenn es um Syriens Präsident Assad gehe. Endlich habe er einen Gegenüber, mit dem zu verhandeln sich lohne, meinte Barak. Der syrische Präsident fordere nur deshalb so vehement die Rückgabe der Golan-Höhen und eines Zugangs zum See Genezareth, weil er dort als Jugendlicher zu schwimmen pflegte. "Bin ich froh, dass der als Kind nicht im Lake Michigan schwamm", grübelte Clinton.

Barak betrachtete Assad als schwierigen, seriösen und schwergewichtigen Verhandlungspartner. Und Clinton setzte bisher alles auf eine Nahost-Lösung, die von der Berechenbarkeit Baraks ausgeht. Vier Jahre musste Clinton warten, bis Ex-Premier Benjamin Netanjahu, sein israelischer Intimfeind, aus dem Amt gedrängt war. Jetzt, gegen Ende seiner Amtszeit, sucht Clinton nichts mehr als Frieden im Nahen Osten. Dabei setzt er auf Barak. Und der setzte auf Assad. Das macht die Bedeutung des Todes des syrischen Präsidenten für Washington aus.

Clinton telefonierte am Sonntag mit Bachar el Assad, dem 34-jährigen Sohn des Verstorbenen und offenkundigen Nachfolger. "Bei einem Augenarzt kann man zumindest davon ausgehen, dass es ihn nicht schon immer mit unwiderstehlicher Kraft in die Politik zog", hat Henry Kissinger gerade gesagt. "Er wird die Hebel der Macht bekommen. Ob er mit ihnen so meisterlich umgehen kann wie sein Vater, das steht dahin", wertet der Ex-Außenminister.

Clinton erfuhr von Assads Tod, als er eine Festrede zur Graduierung von Studenten hielt. Nachdem ihm aus seinem Stab ein Zettel mit der Nachricht zugesteckt wurde, legte der Präsident Stirn und Kinn in Falten und wirkte überrascht und betroffen. Die USA haben ein seltsames Zwitter-Verhältnis zu Syrien unterhalten. Einerseits tauchte Assads Land Jahr für Jahr auf der Liste der "Sponsoren des Terrorismus" auf. Andererseits ließ sich Assad in die Golfkriegsallianz gegen Saddam Hussein einbauen.

Die "New York Times" bemerkte zum Tode Assads, die Welt habe einen "skrupellosen Diktator" verloren, der einen "leninistischen Polizeistaat" mit nicht weniger als 15 konkurrierenden Sicherheitsdiensten schuf. Das Blatt erinnerte auch an das Massaker von Hama, jener aufsässigen Stadt, in der Assad 1982 rund 10 000 Menschen töten ließ. Aus den Schlächtern von gestern die Friedenspartner von heute zu formen, ist ein Prozess, dem viele in den USA mit äußerstem Misstrauen begegnen. William Safire, einer von Amerikas Top-Kolumnisten, schrieb, die Liste der guten Taten Assads beginne mit seiner Feindschaft gegenüber Saddam Hussein - und ende auch damit. Madeleine Albright wird dem Toten die letzte Ehre erweisen. Durch das Fehlen Clintons signalisiert Amerika das Ende eines schwierigen Dialogs.

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