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1. Mai in Berlin: Ein Demonstrant liegt verschnürt am Boden.

© dpa

Täter in Uniform: Amnesty prangert Polizeigewalt an

Amnesty International hat Gewalttaten deutscher Polizisten im Dienst scharf kritisiert. Die Menschenrechtsorganisation erhob den Vorwurf, dass bei Anschuldigungen gegen prügelnde Beamte häufig nicht umgehend und unabhängig ermittelt werde.

Berlin - Amnesty International hat Gewalttaten deutscher Polizisten im Dienst angeprangert. Bei Vorwürfen gegen prügelnde Beamte werde häufig nicht umgehend, unabhängig und umfassend ermittelt, erklärte die Generalsekretärin der Menschenrechtsorganisation in Deutschland, Monika Lüke, am Donnerstag in Berlin. Dort stellte die Organisation ihren aktuellen Bericht zu Polizeigewalt vor. Darin werden detailliert Beispielfälle der vergangenen sechs Jahre geschildert. Verfahren gegen Polizisten – etwa wegen Nötigung oder Körperverletzung im Amt – seien selten. Gerade Täter aus geschlossenen Polizeieinheiten, wie bei Demonstrationen üblich, seien kaum zu identifizieren, vor allem, wenn sie vermummt und behelmt im Einsatz seien. Käme es dennoch zu Ermittlungen gegen Kollegen, blockten viele Beamte ab. Ähnlich sieht das der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV). „Unsere Kollegen machen viele solcher Erfahrungen. Wenn wir für unsere Mandanten Polizisten anzeigen, werden die Verfahren oft folgenlos eingestellt“, sagte der Berliner RAV-Strafrechtler Peer Stolle.

Amnesty forderte eine namentliche Kennzeichnungspflicht von Polizisten, um Vorwürfe konkreten Beamten zuordnen zu können. Die Linken-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke sagte: „Rechtswidrig prügelnde Polizisten dürfen sich nicht länger hinter der Anonymität ihrer Uniform verstecken.“ Union und Sicherheitsbehörden hätten „keine Gelegenheit“ ausgelassen, Polizisten als Opfer von Gewalt darzustellen. Die Amnesty-Studie zeige, dass Polizisten oft genug selbst Täter seien.

Das Bundesinnenministerium wies die Vorwürfe von Amnesty zurück: Rechtswidrige Polizeigewalt würde strafrechtlich und disziplinarrechtlich geahndet. Dies erklärten auch Vertreter der Polizeigewerkschaften GdP und DPolG. Sie lehnen eine Kennzeichnungspflicht ab, denn Polizisten müssten sich und ihre Familien nach Einsätzen – etwa gegen Extremisten – schützen.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) arbeitet derzeit an der Einführung der Kennzeichnung für die Polizisten der Stadt. Deren Personalvertretung weigert sich noch. Eine Schiedsstelle entscheidet demnächst. Bundesweit tragen bisher nur wenige Polizisten sichtbare Namensschilder – etwa in Hamburg und Baden-Württemberg. Aber auch dort bleiben Beamte auf Demonstrationen meist anonym. Amnesty verweist auf Großbritannien, Spanien und Schweden, wo es obligatorische Kennzeichnungen gebe.

Offizielle Zahlen zu Polizeigewalt gibt es kaum. Amnesty zufolge hatte es etwa 2008 in Berlin 548 Fälle gegeben, bei denen wegen Körperverletzung im Amt ermittelt wurde. Die Behörde selbst zählte 636 Ermittlungen. Verurteilt wurde bisher keiner der verdächtigten Beamten. Neben der Kennzeichnungspflicht empfahl die Menschenrechtsorganisation unabhängige Untersuchungsmechanismen. Die Länder sollten dazu eigene Dezernate in der Justiz einrichten. Schon vor sechs Jahren hatte Amnesty kritisiert, die wenigen schuldig gesprochene Polizisten hätten „bisweilen Strafen erhalten, die in keinem Verhältnis zur Schwere der Tat standen“.

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