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Piraten der Straße. Tausende Anhänger des gestürzten Präsidenten Mursi zogen am Freitag durch Kairo – und sahen sich Blockaden der Armee gegenüber. Foto: Mohammed Hamed/Reuters

© REUTERS

Politik: Tag der Wut

In Kairo protestieren tausende Anhänger des gestürzten Präsidenten Mursi, in Oberägypten brennen koptische Kirchen.

Als um sieben Uhr abends die Ausgangssperre in Kraft trat, war in Kairo am Freitag von Ruhe nichts zu spüren. Es herrschten chaotische Zustände. Die ägyptische Allianz gegen den Staatsstreich hatte Freitag zum „Tag der Wut“ erklärt. Ihr Protest galt den hunderten Toten vom Mittwoch und der Entmachtung des gewählten Präsidenten Mohammed Mursi. In der Hauptstadt hatten sich die Mursi-Anhänger in 28 Moscheen in der ganzen Stadt getroffen und waren dann sternförmig Richtung Ramses-Platz ins Zentrum gezogen. Tausende folgten dem Aufruf, obwohl Demonstrationen unter dem Ausnahmezustand verboten sind. Auch viele Frauen schlossen sich den Zügen an. Dagegen waren kaum Kinder zu sehen. Wütend verlangten die Demonstranten die Todesstrafe für Armeechef General Abdelfattah al Sisi. „CC Mörder“ sprayten Anhänger des gestürzten Präsidenten auf Hausmauern und Plakatwände. Auf dem Ramses-Platz kam es am Abend zu schweren Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften. Die Muslimbrüder beschuldigten Polizei und Armee, das Feuer auf die Demonstranten eröffnet zu haben. In einer Moschee richteten sie ein Feldlazarett ein.

Auch in andern Städten des Landes wurde der Protest-Aufruf von vielen tausend Islamisten befolgt. Die ersten Scharmützel mit der Polizei waren aus Alexandria und der Delta-Stadt Tanta gemeldet worden. Wo sich die Demonstranten Regierungseinrichtungen näherten, setzten die Sicherheitskräfte Tränengas gegen sie ein. In Kairo waren immer wieder Schüsse zu hören, wobei meist unklar blieb, wer die Schützen waren. An manchen Orten griffen Einwohner die Teilnehmer der Demonstrationszüge an. In mehreren Stadtteilen lieferten sich Mursi-Anhänger und Mursi-Gegnern heftige Auseinandersetzungen mit Steinen und Knüppeln. Tote wurden von den Staatsmedien auch aus Alexandria, Ismailija am Suez-Kanal und Damietta gemeldet. In al Arisch im Nord-Sinai griffen militante Islamisten mit Handfeuerwaffen und Panzerfäusten mehrere öffentliche Gebäude an.

Der Freitag, Tag des Gebetes der Muslime, war für die Organisation der Muslimbrüder ein Test für ihre Mobilisierungskraft. Das Innenministerium hatte die Bürger aufgerufen, sich von sensiblen Orten und möglichst überhaupt von den Straßen fernzuhalten. Am Donnerstag hatte Innenminister Mohammed Ibrahim der Polizei erlaubt, mit scharfer Munition auf Demonstranten zu schießen, die Gewalt anwenden. Die Armee hatten alle Zufahrtsstraßen zum Rabaa-al-Adawija-Platz und dem Nahda-Platz , die sie am Mittwoch geräumt hatte, abgesperrt. Auch alle Eingänge zum Tahrir-Platz und die Gegend des Ägyptischen Museums waren mit Militärfahrzeugen verbarrikadiert. Viele Bürger verzichteten auf ihre Freitagsroutine. Die beliebten Sport- und Freizeitclubs waren fast leer. „Wir bekommen hier in Kairo die ganze Dimension der Krise gar nicht mit. Von der explosiven Lage in den oberägyptischen Städten wissen wir viel zu wenig“, sagte eine Koptin, die sich auf die Straße traute. Oberägypten ist die Hochburg der Muslimbrüder. In den vergangenen Tagen waren dort mehrere Kirchen angezündet worden. Der Medien-Berater der Muslimbrüder, Abir Mohammed Ali, verurteilte dies am Freitag scharf.

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