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Im Visier. Ein afghanischer Polizist beobachtet das Hochhaus in Kabul, in dem sich am Dienstag schwer bewaffnete Taliban-Kämpfer verschanzt hatten. Der Angriff im Regierungs- und Botschaftsviertel dauerte mehrere Stunden.

© dpa

Taliban-Attacke: Angriff im Herzen Kabuls

Eine groß angelegte Anschlagsserie hat am Dienstag Afghanistans Hauptstadt Kabul erschüttert. Betroffen waren mehrere Viertel im Herzen der Stadt.

Eine groß angelegte Anschlagsserie hat am Dienstag Afghanistans Hauptstadt Kabul erschüttert. In einer koordinierten Aktion attackierten die Taliban das Regierungs- und Botschaftsviertel und feuerten mit Panzerfäusten auch auf das Hauptquartier der internationalen Schutztruppe (Isaf) und die US-Botschaft. Die Angreifer waren mit Raketenwerfern, Maschinengewehren und Selbstmordwesten bewaffnet und verschanzten sich in einem im Bau befindlichen Hochhaus. Die Kämpfe dauerten in der Nacht noch an.

Die „Washington Post“ sprach von der „kühnsten Attacke in Kabul seit dem Sturz der Taliban 2001“. Betroffen waren mehrere Viertel im Herzen der Stadt. Bewohner zählten über zehn Explosionen oder Raketeneinschläge. Nach Angaben des afghanischen Innenministeriums wurden mindestens zwei Zivilisten und vier Polizisten getötet sowie 16 Menschen verletzt. In anderen Stadtteilen Kabuls wurden mindestens vier Taliban getötet. In Kabul sind bereits seit Jahren die Afghanen selbst für die Sicherheit zuständig. Unklar blieb vorerst, wie die Militanten durch die massiven Kontrollen, die das Regierungs- und Botschaftsviertel schützen, schlüpfen konnten.

Die Attacke kam ungeachtet dessen, dass die USA offenbar die Friedensgespräche mit den Taliban forcieren wollen. Wie die britische Zeitung „Times“ berichtete, könnten die Taliban bald ein offizielles Büro bekommen. Das „Islamische Emirat Afghanistan“ werde wahrscheinlich noch vor Weihnachten eine politische Vertretung im Golfstaat Katar eröffnen dürfen. Dem hätten die USA, die bis Ende 2014 die meisten ihrer Truppen aus Afghanistan abziehen wollen, zugestimmt. Washington äußerte sich zunächst nicht zu dem Bericht.

Nach fast zehn Jahren Blutvergießen am Hindukusch wäre dies eine radikale Wende in der Politik des Westens. Der Schritt soll der Aufnahme formeller Friedensgespräche den Weg ebnen, um den Krieg zu beenden. Die Taliban würden damit zu Gesprächspartnern aufgewertet und als Verhandlungspartei in dem blutigen Konflikt anerkannt. Ihr Büro werde zwar nicht den Status einer Botschaft oder eines Konsulats besitzen, aber ihre offizielle Repräsentation sein.

Dies soll nicht nur Vertrauen schaffen, sondern die Taliban auch aus dem Dunstkreis Pakistans herausholen, hieß es. Bisher steht die Spitze der afghanischen Taliban unter dem Einfluss Pakistans, das der so genannten Quetta-Schura angeblich seit Jahren auf seinem Boden Zuflucht gewährt. Afghanistan-Kenner wie der pakistanische Autor Ahmed Rashid fordern daher seit längerem, den Taliban zu erlauben, ein Büro in einem neutralen Land einzurichten. Als Standorte waren auch die Türkei und Deutschland im Gespräch. Offenbar hat man sich nun auf Katar geeinigt.

Parallel hat sich die Sicht des Westens auf die Taliban gewandelt. Vor wenigen Jahren wurden sie noch als „Terroristen“ betitelt, heute nennt man sie meist „Aufständische“ oder „Militante“. Viele Experten meinen, dass von den Taliban selbst kaum eine Terrorgefahr für den Westen ausgeht. Vielmehr seien sie „paschtunische Nationalisten“, die die USA als Besatzer ansähen. Zum zehnten Jahrestag der Terroranschläge in den USA berichteten Medien, dass viele Taliban-Kämpfer noch nicht einmal wissen, was am 11. September 2001 geschah. Die Taliban hatten damals Osama bin Laden und Teile von Al Qaida beherbergt. Deshalb hatten die USA und ihre Verbündeten das Taliban-Regime gestürzt. In dem Krieg starben 20 000 bis 40 000 Menschen allein in Afghanistan – und mehr als 30 000 in Pakistan.

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