zum Hauptinhalt

Politik: Tarifrecht: "Teil einer theoretischen Debatte"

Grünen-Fraktionschef Rezzo Schlauch hat für seine Forderung, angeschlagenen Unternehmen auch untertarifliche Bezahlung zu ermöglichen, wenig Unterstützung im Regierungslager erhalten. Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte am Montag, er teile den Ansatz der Grünen in dieser Frage nicht.

Grünen-Fraktionschef Rezzo Schlauch hat für seine Forderung, angeschlagenen Unternehmen auch untertarifliche Bezahlung zu ermöglichen, wenig Unterstützung im Regierungslager erhalten. Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte am Montag, er teile den Ansatz der Grünen in dieser Frage nicht. Es werde daher keinen Gesetzentwurf geben, der Krisenbetrieben eine untertarifliche Bezahlung zugestehe. Arbeitsminister Walter Riester hatte den Grünen-Vorschlag schon zuvor zurückgewiesen. Wenn der Koalitionspartner das Tarifrecht ändern wolle, "mache ich nicht mit", sagte Riester.

Auch aus der eigenen Partei wurde Schlauch zurückgepfiffen. "Es steht kein Gesetzentwurf an", teilte Reinhard Bütikofer, Bundesgeschäftsführer der Grünen, in einer seiner seltenen Presseerklärungen mit. Es handle sich um eine "Initiative von FachpolitikerInnen aus der Bundestagsfraktion" als "Teil einer theoretischen Debatte". Die Grünen wollten zwar die Arbeitsmarktpolitik erneuern, aber nicht in einer Konfrontation. "Dieser Fisch ist noch nicht geputzt", stellt Bütikofer "ausdrücklich" fest. Es gebe noch lange keine Festlegung der Grünen auf die von Schlauch verbreiteten Ideen.

Thea Dückert, Arbeitsmarktexpertin der Grünen und eine der Fachpolitikerinnen, bemühte sich, die Diskussion zu versachlichen. Ein eventuell zu erarbeitendes Gesetz solle es ausschließlich Betrieben in Krisensituationen ermöglichen, "Betriebsvereinbarungen zur Beschäftigungssicherung abzuschließen". Es gehe um flexible Tarife in Notzeiten. "Die Tarifautonomie bleibt davon unberührt", bekräftigte Dückert. Auch der Tarifvorrang bliebe erhalten. Sie sieht in den Überlegungen viel eher eine Rettung des Flächentarifvertrags, der besonders in Ostdeutschland ausgehöhlt sei.

Laut Arbeitsministerium gibt es derzeit 50 000 geltende Tarifverträge. Hinzu kommen 5000 Unternehmenstarifverträge. Klaus Vater, Sprecher von Arbeitsminister Riester, verwies darauf, dass Not leidende Betriebe sich bereits in der Vergangenheit außertariflich mit ihren Arbeitnehmern geeinigt hätten. Deswegen bräuchte man kein neues Gesetz. Begrüßt haben die Gedankenspiele der Grünen hingegen der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP, Rainer Brüderele, Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt und BDI-Chef Hans-Olaf Henkel. Der Flächentarifvertrag habe keine Zukunft. Als "wirkliche Ermutigung" begrüßte der mittelstandspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Jürgen Doss, in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" den Vorstoß. Es sei "eine tolle Sache", wenn die Grünen anfingen zu begreifen, dass der Arbeitsmarkt im "bürokratischen Gestrüpp zu ersticken droht".

Ulrike Fokken

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false