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Politik: Technik für Menschen

Von Corinna Visser

Schlauer sind sie geworden, viel schlauer. Nachdenklicher auch, und realistischer. Die Strategen der Computer und Telekommunikationsindustrie haben viel gelernt in den vergangenen fünf Jahren. Im Jahr 2000 hatte jeder Manager – egal ob Vorstandschef eines Weltkonzerns oder eines gerade neu gegründeten New-Economy-Unternehmens – zur Eröffnung der Cebit die Weisheit parat: Nicht die Großen fressen die Kleinen, sondern die Schnellen fressen die Langsamen. Viele haben sich dabei gehörig verschluckt. Auf der Cebit 2005 in Hannover, genau fünf Jahre nach dem Platzen der Internet-Blase im März des Jahres 2000, sind viele der Sprinter auf der weltgrößten IT-Messe nicht mehr dabei. Dafür viele von den Großen. Sie verkaufen keine Visionen mehr. Sondern Produkte. Das ist gut.

An kaum einer anderen Technologie kann man den Lernprozess so gut nachvollziehen wie an dem neuen Mobilfunkstandard UMTS, mit dem man große Datenmengen auf dem Handy empfangen und versenden kann, sogar Filme wenn man will. UMTS. In jeder Kneipe, an jeder Theke wurde im Jahr 2000 über den Mobilfunk der dritten Generation diskutiert. UMTS, das sollte das Handy der Zukunft sein. Die Lizenzen für den Mobilfunkstandard wurden in Deutschland für rund 50 Milliarden Euro versteigert. Auch im Jahr 2003 noch – die ersten UMTS-Lizenzinhaber gingen pleite – wurde über das Thema in jeder Kneipe gestritten. Und alle wussten: Damit wird nie jemand Geld verdienen. Was niemand wusste, war, was man mit UMTS machen kann. Das hatten die Käufer der teuren Lizenzen versäumt zu erklären.

Im Jahr 2005 liegt die Wahrheit auf dem Tisch, niemand streitet mehr darüber: UMTS braucht niemand. Aber viele wollen es. Wir haben immer mehr Spaß an Dingen, die sich mit UMTS am besten machen lassen. Unterwegs E-Mails auf dem Blackberry abfragen – in kaum einer Chefetage darf man sich noch ohne so einen kleinen Taschencomputer blicken lassen. Der Großmutter per Videotelefon die ersten Gehversuche ihres Enkelkinds zeigen. Im Zug den Lieblingssong aus dem Netz herunterladen. Ohne UMTS geht das alles nicht, jedenfalls nicht so komfortabel.

Übers Internet telefonieren, auf dem Computer fernsehen und über den Fernseher ins Internet gehen – all das ist jetzt möglich. Und seitdem wir nicht mehr Ingenieure sein müssen, um die komplizierte Technik zu verstehen, kaufen wir sie. Ein Laptop-Akku, der den ganzen Tag durchhält, ist für viele ein größerer Durchbruch als manche einst ausgerufene digitale Revolution.

Der Branchenverband Bitkom blickt wieder optimistisch in die Zukunft. In diesem Jahr werden Informationstechnik, Telekommunikation und neue Medien in Deutschland deutlich stärker wachsen als die Gesamtwirtschaft. 10000 neue Arbeitsplätze sollen in diesen Bereichen entstehen. Es sind wieder Versprechen, die gemacht, Hoffnungen, die gehandelt werden. Aber es sind keine Visionen mehr. Wir wissen, dass und wie das Internet, die mobile Kommunikation und der Datentransfer unser Berufsleben verändert haben und weiter verändern werden. Wir sehen, wie Fernsehen, Kameras, Telefon und Computer zusammengewachsen sind, und nutzen diese Technik. Ganz souverän, und (meistens) ganz freiwillig.

Der Unterschied zum Jahr 2000? Die meisten IT-Interessierten sind ärmer geworden. Sie haben in Aktien investiert, die heute nur noch einen Bruchteil des Wertes von vor fünf Jahren haben. Und doch sind auch sie positiv überrascht worden. Sie profitieren von neuen Anwendungen, von komfortablen neuen Dienstleistungen, von preiswerten Produkten und von handlungsfähigen und zuverlässigen Internethändlern.

Die Cebit muss diesmal einlösen, was sie einst versprach: Dass nicht die Technik im Vordergrund steht, sondern die Dinge, die wir damit machen können. Die Voraussetzungen dafür sind gut – weil die Unternehmen in den vergangenen fünf Jahren gelernt haben, dass wir nicht vor allem Aktionäre sind. Sondern Kunden.

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