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Politik: Tempolimit

Die SPD will langsamer reformieren – und die Grünen widersprechen nicht mehr

Von
  • Robert Birnbaum
  • Antje Sirleschtov

Von Robert Birnbaum

und Antje Sirleschtov

Die Stimmung ist mies, und Gerhard Schröder hat das zu hören bekommen. Ausgerechnet im SPD-Parteirat, dem Gremium der Basis-Funktionäre, gab es am Montag harte Kritik am Regierungskurs. Und sie kam nicht wie dort sonst üblich von der Linken, sondern aus der Mitte der Partei. Verheerende Stimmung im Osten, eine verunsicherte Basis im Herzland NRW, Parteiaustritte – das waren die Nachrichten von ganz unten. Und die von oben? Chaos um die zehn Euro Praxisgebühr, eine Bildungsdebatte mit dem denkbar unsozialdemokratischen Stichwort „Elite“ angezettelt – nur einige der Dinge, mit der sich die Basis von ihrer Regierung beschwert sah. Einer hat es so formuliert: „Ich bin nicht mehr bereit, das Reformtempo mitzumachen und dabei die Partei zu opfern.“

Der Kanzler hat Fehler zugegeben. Das mit der Strafandrohung gegen schwarzarbeitende Putzfrauen sei nicht so gut gewesen, beim vorläufigen Stopp der Pflege-Reform habe es „Kommunikationsprobleme“ gegeben. Handwerkliche Pannen also zugestanden; aber Schröder hatte seinerseits Beschwerden anzumelden. Die Funktionäre, mahnte er, müssten die Politik ihrer Regierung besser an die Leute bringen. Ein Teilnehmer spricht später von „zwei Realitäten in der SPD“: der Basis und der Regierung. Wobei es durchaus auch eine Stimmung gab, dass sich jetzt alle zusammennehmen müssten.

Ein Prinzip Hoffnung, das Generalsekretär Olaf Scholz später in die kühne Behauptung fasste: „Der Reformmotor der SPD hat 630 000 PS“ – so viele Mitglieder hat die Partei. Scholz gab aber auch zu, dass die Lage „schwierig“ sei. Ob bei den Reformen die Grenze der Belastbarkeit erreicht sei, wird er gefragt. „Wir haben sehr weit gehende Entscheidungen getroffen“, sagt Scholz. Er habe Verständnis für das Gefühl vieler Menschen, dass sie „einen ganz erheblichen Beitrag zur langfristigen Sicherung unserer Sozialsysteme geleistet haben.“ Also Reformstopp, alles Notwendige erledigt, wie es zuvor in einem Scholz-Interview geklungen hatte? „Wir werden genau die Dinge umsetzen, die wir gesagt haben. Ich kenne nichts, was noch kommt, außer dem, was Sie bereits kennen“, sagt der General, und dass es sinnlos sei, abstrakt über Reformtempo zu diskutieren.

Das galt den Grünen. Auf die war auch der Kanzler nicht gut zu sprechen. Dass sich der Partner als Reformmotor gegen die SPD zu profilieren suche, sei nicht in Ordnung. Auch wenn eine Koalition ein Zweckbündnis sei und keine Liebesheirat. Bei den Grünen war der Notruf angekommen. Parteichefin Angelika Beer zeigte Verständnis für die Probleme des Partners: Wenn das Reformtempo etwas nachlasse, sei das nicht so tragisch. „Schlecht wäre es, wenn die Reformen ausgesetzt würden.“ Am 13. Februar soll der Koalitionsausschuss den Konflikt amtlich bereinigen.

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