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Terrorbekämpfung: Über das Maß hinaus

Im Kampf gegen den Terror wollen die USA nicht nur internationale Kontobewegungen kontrollieren.

Im grünen Villenvorort La Hulpe, einige Kilometer südwestlich von Brüssel, liegt inmitten eines großen Parks ein großflächiges Gebäude im postmodernen Stil. Dort residiert nicht nur eines der belgischen Adelsgeschlechter, die in der noblen Gegend alte Sommerschlösschen unterhalten. Hinter der schlossartigen Fassade sind Computer, Büros und viel Telekommunikation untergebracht: das Hauptquartier der „Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication“, kurz Swift genannt. In ihrer Datenbank sind die Überweisungsdaten von mehr als 8000 Banken aus mehr als 200 Ländern gespeichert. Inzwischen hängt der Einrichtung, der die 2500 größten Banken und Finanzhäuser der Welt angehörten, ein Ruf an, der unwillkürlich an Spionagethriller oder dunkle Verschwörungsgeschichten denken lässt. Tatsächlich beschäftigen die Vorgänge, die sich im Swift-Hauptquartier abspielen, seit Jahren die Datenschützer, Politiker und die Öffentlichkeit in Europa.

Nach dem 11. September 2001 traten nämlich die US-Sicherheitsbehörden und die CIA an Swift mit der Bitte heran, ihnen die Kontrolle der täglich rund 15 Millionen Finanztransaktionen zu ermöglichen. Über die Finanzwege wollten Polizei und Geheimdienste die Terrornetzwerke aufdecken. Swift kam damals freiwillig und mit Wissen des Vertreters der Deutschen Bundesbank dieser Forderung nach – auch weil ihr nichts anderes übrig blieb. Denn die private Gesellschaft unterhält auch in Culpeper in den USA ein Operationszentrum, das mit den europäischen Datenbanken vernetzt ist. Die US-Behörden könnten sich hier aufgrund der US-Sicherheitsgesetze ohnehin den Zugang zum Swift-Netz erzwingen.

Um die sensiblen Daten dem unkontrollierten Zugriff der US-Behörden zu entziehen und das Bankengeheimnis besser zu schützen, beschloss das Swift-Direktorium im vorigen Jahr, ein neues Operationszentrum in der Nähe von Zürich zu bauen. Diese neue Zentrale, die Ende des Jahres ihre Arbeit aufnehmen kann, wird die Versendung der europäischen Daten nach Culpeper überflüssig machen. Die Swift-Zentrale in den USA wird vom europäischen Netz abgekoppelt.

Das aber, so fürchten die US-Sicherheitsexperten, könnte einen schweren Rückschlag im Kampf gegen den Terrorismus bedeuten. Die USA fordern deshalb, dass sie auf das, was sie bisher unter der Hand und gleichsam in einer Grauzone des Rechts von Swift erhalten haben, künftig ganz legal und auf der Basis eines neuen Abkommens mit Europa zugreifen können. Ende Juli haben die 27 EU-Außenminister der Kommission ein Mandat für die Verhandlungen mit den US-Behörden erteilt. Auch in Europa ist den Sicherheitsexperten bewusst, dass die Finanzkanäle der Terrororganisationen aufgedeckt und ausgetrocknet werden müssen. Das liegt schließlich auch im europäischen Interesse. Aber die Amtshilfe muss sich im Rahmen des europäischen Bürgerrechts und der Datenschutzgesetze abspielen.

Was allerdings seither aus den Verhandlungen mit den USA durchgesickert ist, alarmiert nicht nur die Datenschützer, sondern auch alle Fraktionen des Europäischen Parlaments. Denn offenbar wollen die US-Dienste nicht nur den Zugriff auf Swift-Daten über internationale Transaktionen, sondern auch auf weitere Finanzdienstleister wie Online-Banken oder Kreditkartenunternehmen. „Das Bankengeheimnis und der Datenschutz sind dadurch in Gefahr. Rein nationale Daten, Gehaltszahlungen, Mietüberweisungen gehen die US-Behörden nichts an“, meint der FDP-Europaabgeordnete Alexander Alvaro. Er weiß von einem Rechtsgutachten des EU-Ministerrats, das zu einem klaren Schluss kommt: Für ein Abkommen der EU über die Datenlieferung in die USA gebe es keine Rechtsgrundlage. Die Liberalen im Straßburger Parlament drohen deshalb mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.

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