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Sicherheitsvorkehrungen: Beamte der Bundespolizei patrouillieren auf dem Berliner Hauptbahnhof.

© Kay Nietfeld/dpa

Terrorgefahr und Terrorabwehr: Mit fast allen Mitteln - wie sich Deutschland schützt

Nach mehreren Anschlägen diskutiert Deutschland über den Schutz vor Terrorattacken. Und die Frage: Wie viel Freiheit darf die Sicherheit kosten?

Von Frank Jansen

Die Bundesrepublik hat in diesem Monat gleich drei bittere „Premieren“ erlebt. Die Axt-Attacke in Würzburg war der erste vollendete islamistische Anschlag eines Flüchtlings. Der Amoklauf in München war der erste, den die Polizei zunächst als Terrorangriff wertete und bis hin zum Einsatz der Eliteeinheit GSG 9 zu stoppen versuchte. Und der Selbstmordanschlag am Sonntag in Ansbach war der erste überhaupt in Deutschland. So viel Schrecken ist selten, zumal er nun noch durch den Anschlag auf eine Kirche in Frankreich gesteigert wurde. Die Bundesrepublik diskutiert nun mit wachsender Intensität, wie mehr Sicherheit erreicht werden kann, ohne die Freiheit der Bürger übermäßig einzuschränken.

Wie schützt sich Deutschland vor dem Terrorismus?

Die Bundesrepublik ist grundsätzlich gewappnet. Auch nach „Würzburg“ und „Ansbach“ bleibt es dabei: Bisher haben nur bei einem einzigen islamistischen Anschlag Opfer ihr Leben verloren. Das war am 2. März 2011, als der Kosovare Arid Uka am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten erschoss. Zwei weitere verletzte er schwer. Frankreich und weitere europäische Staaten wurden viel schlimmer getroffen. Allein beim Anschlag am 13. November 2015 in Paris töteten Terroristen 130 Menschen. In Madrid kamen 2004 sogar 191 Opfer ums Leben.

Dass Deutschland bisher von verheerenden Anschlägen verschont blieb, lässt sich mit drei Faktoren erklären: weitgehend effiziente Sicherheitsbehörden, frühzeitige Warnungen amerikanischer Nachrichtendienste und: viel Glück. Einige Anschläge scheiterten nur, weil die Bomben nicht explodierten.

Am Kampf gegen den islamistischen Terror beteiligen sich in Deutschland zahlreiche Behörden. Eingebunden sind unter anderem das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei (mit GSG 9 und jetzt zusätzlichen Spezialeinheiten), 16 Landeskriminalämter, der Verfassungsschutz mit dem Bundesamt und 16 Landesbehörden, der Bundesnachrichtendienst, der Militärische Abschirmdienst, die Bundesanwaltschaft und zahllose weitere Staatsanwaltschaften, das Zollkriminalamt sowie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Beamte dieser Behörden tauschen sich außerdem ständig in Berlin im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) über militante Islamisten aus. Das GTAZ gilt als eine der effektivsten Sicherheitsinstitutionen Europas. Kritische Stimmen befürchten allerdings, im GTAZ werde das Trennungsgebot missachtet, weil Polizei und Nachrichtendienste eng beieinandersitzen.

Achtung, Kamera: Eine Ausweitung der Videoüberwachung öffentlicher Plätze ist umstritten.
Achtung, Kamera: Eine Ausweitung der Videoüberwachung öffentlicher Plätze ist umstritten.

© Jörg Carstensen/dpa

Hat Deutschland ein Sicherheitsdefizit?

Nach dem Terrorangriff vom 11. September 2001 auf die USA haben die deutschen Behörden enorm aufgerüstet und auch die Koordination, etwa mithilfe der GTAZ, deutlich verbessert. Doch Polizei und Nachrichtendienste befinden sich in einem ständigen Wettlauf mit der Terrormiliz „Islamischer Staat“, Al Qaida und deren Netzwerken. Die Beobachtung dschihadistischer Aktivitäten im Internet ist für die Behörden nur in Teilen zu leisten. Es mangelt schlicht an Personal, um alle islamistischen und sonstigen extremistischen Untiefen des Internets effektiv auszuleuchten.

Ein wachsendes Problem ist auch die rasante Ausbreitung der Salafistenszene. In diesem Jahr dürfte sie die Marke von 9000 Personen überschreiten. Und viele sind gewaltorientiert. Aber Polizei und Nachrichtendienste können nicht alle potenziell militanten Salafisten überwachen. Für eine Observation rund um die Uhr sind pro Extremist etwa 20 Beamte notwendig.

Ein ähnliches und noch größeres Problem sind die unzähligen weichen Ziele für Terrorattacken. Da militante Islamisten wahllos „Ungläubige“ töten wollen, können sie fast überall zuschlagen, wo sich viele Menschen aufhalten. Die Polizei kann aber nur punktuell Objekte schützen, zum Beispiel Bahnhöfe. Dort und in den Zügen soll das Sicherheitspersonal nun aufgestockt werden. Bahnchef Rüdiger Grube kündigte am Mittwoch an, die Zahl der für Sicherheit zuständigen Mitarbeiter werde von 3700 auf 4200 erhöht. Die Bundespolizei ist an Bahnhöfen bereits mit 5000 Beamten präsent.

Was würde ein Einsatz der Bundeswehr bringen?

Soldaten können bereits jetzt bei „terroristischen Großlagen“ eingesetzt werden. Die Union will aber mehr. Soldaten sollen die Polizei nicht erst unterstützen, wenn das Land von einem schweren Anschlag getroffen wird. Geeignet für polizeiliche Einsätze sind allerdings zunächst einmal nur die 2700 Feldjäger der Bundeswehr. Die Militärpolizisten könnten theoretisch am besten Einsätze von Beamten der Bundespolizei unterstützen. Oder auch Länderpolizisten beim Schutz potenziell bedrohter Gebäude und Areale helfen. Jenseits von CDU und CSU werden solche Ideen jedoch vehement abgelehnt.

Wozu taugt Videoüberwachung?

Sie schreckt möglicherweise Kleinkriminelle ab – jedoch keine Terroristen, die zu allem entschlossen sind. Die Videoüberwachung nützt der Polizei vor allem bei der Fahndung nach Tätern und den weiteren Ermittlungen zu einer Tat. Scotland Yard profitierte 2005 nach den Anschlägen in London von den vielen Aufnahmen der Überwachungskameras. Datenschützer in Deutschland warnen allerdings, eine großflächige Ausweitung der Videoüberwachung sei ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Bürger.

Nützt eine elektronische Fußfessel?

Nur bedingt. Einer der Terroristen, die jetzt die Kirche in der Normandie angegriffen haben, trug eine elektronische Fußfessel. Im September 2015 schnitt sich in Berlin der islamistische Ex-Terrorist Rafik Y. die Fußfessel ab, die er nach Verbüßung der Haftstrafe tragen musste. Dann stach er auf offener Straße einer Polizistin in den Hals. Ihr Kollege erschoss Rafik Y. Für die Fußfessel spricht dennoch, dass gefährliche Personen schnell geortet werden können, wenn sie sich in eine nicht erlaubte Zone begeben.

Was bringt Vorratsdatenspeicherung?

Nach jahrelangem Streit bis hin zum Bundesverfassungsgericht gibt es nun seit Dezember ein Gesetz, das niemanden zufriedenstellt. Telekommunikationsunternehmen müssen jetzt Rufnummern von Telefonaten und SMS-Nachrichten sowie IP-Adressen von Internetnutzern zehn Wochen speichern. Sicherheitsbehörden wie auch Politiker der Union wünschten sich einen erheblich längeren Zeitraum.

Die Gegner der Vorratsdatenspeicherung, vor allem Grüne, Linke und FDP, halten das neue Gesetz dagegen für bedenklich. Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) verlangt deshalb eine Speicherung von Verbindungsdaten über die vorgesehenen zehn Wochen hinaus. Außerdem sollten Messengerdienste wie WhatsApp erfasst werden. Zumindest diese Forderung klingt plausibel, da Extremisten inzwischen oft WhatsApp zur Kommunikation nutzen.

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