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Politik: Terrorverdächtiger Darkazanli denkt nicht an Flucht

Freigelassener Deutsch-Syrer bleibt in Hamburg / Generalbundesanwalt bittet Spanien um Ermittlungshilfe

Berlin Der kürzlich in Hamburg aus der Auslieferungshaft entlassene Terrorverdächtige Mamoun Darkazanli hat offenbar nicht vor zu fliehen. „Er lebt hier, ist hier verheiratet und versucht, ein normales Leben zuführen“, sagte sein Anwältin Gül Pinar am Mittwoch dem Tagesspiegel. Die Hamburger Innenbehörde bestätigte die Angaben. „Uns ist nichts Gegenteiliges bekannt“, sagte Behördensprecher Marco Haase dem Tagesspiegel. Ob Darkazanli derzeit überwacht wird, wollte Haase nicht sagen.

Gegen den Mann besteht ein europaweiter Haftbefehl. Spanische Ermittler halten ihn für den Europa-Statthalter des Al-Qaida-Chefs Osama bin Laden. Der Deutsch-Syrer kam auf freien Fuß, nachdem das Bundesverfassungsgericht im Juli das deutsche Ausführungsgesetz zum europäischen Haftbefehl wegen mangelnden Grundrechtsschutzes der Betroffenen für nichtig erklärt hatte.

Generalbundesanwalt Kay Nehm verstärkt seine Bemühungen, Darkazanli in Deutschland vor Gericht zu stellen. Entgegen eigenen Ankündigungen unmittelbar nach dem Karlsruher Urteil haben die Spanier bis heute noch keine neuen Unterlagen geliefert. Nehms Behörde hat nach Angaben einer Sprecherin um Übermittlung neuer Erkenntnisse gebeten.

In Deutschland läuft seit Oktober 2001 ein Ermittlungsverfahren gegen Darkazanli, weil er Al Qaida unterstützt haben soll. Die Spanier werfen ihm Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation vor, weil er für bin Laden ein Schiff gekauft sowie Dokumente überbracht und Zahlungen getätigt haben soll. Auf dieses Delikt steht in Spanien bis zu 20 Jahren Haft. Die Hamburger Behörden halten es dennoch für „lebensfremd“, Darkazanli könne untertauchen, da er anders als in Deutschland in den europäischen Nachbarländern aufgrund des EU-Haftbefehls festgenommen und an Spanien ausgeliefert werden könne. Tatsächlich verfügt Darkazanli noch über einen bis November gültigen deutschen Reisepass, mit dem er das Land jederzeit verlassen könnte.

Die Freilassung des Terrorverdächtigen als direkte Folge des Urteils war umstritten, auch im Bundesverfassungsgericht selbst. Das polnische Verfassungsgericht etwa hatte ebenfalls Bedenken gegen das nationale EU-Haftbefehlsgesetz, ließ es aber zunächst in Kraft. Infolge des Richterspruchs öffneten sich nach Angaben des Bundesjustizministeriums für neun Personen die Gefängnistore. Der Präsident des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, hatte nach dem Urteil noch von 20 gesprochen. Darkazanli ist der einzige Terrorverdächtige. Den anderen acht wird „allgemeine“ Kriminalität zur Last gelegt, unter anderem Zuhälterei und Betrug.

Das Justizministerium arbeitet daran, ein neues Ausführungsgesetz für den EU-Haftbefehl zu entwerfen. Die Hamburger Behörden kündigten an, die Verhaftung Darkazanlis erneut prüfen zu wollen, wenn es in Kraft getreten ist.

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