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Die Armee schaut zu. Rothemden belagern weiterhin das Geschäftsviertel Bangkoks, um Neuwahlen zu erzwingen. Die Soldaten werden nicht eingreifen.

© dpa

Thailand: Unversöhnliche Fronten

Immer mehr Menschen fordern ein Ende der Barrikaden im Zentrum Bangkoks. Thailands Premier Abhisit wirkt wie gelähmt.

Die renommierte „Bangkok Post“ warnt in ihrem Leitartikel vor einem Bürgerkrieg. Die Explosion von fünf Granaten in der Nacht zum Freitag, wobei eine Frau getötet und mehr als 80 verletzt wurden, bedeutet eine weitere Eskalation der angespannten Lage in Thailand. Rund 10 000 oppositionelle Rothemden halten sich weiter in Bangkoks Innenstadt verschanzt, hinter einer Befestigung aus Autoreifen und gespitzten Bambusrohren. Unterdessen rufen die sogenannten bunten Hemden zu Protesten gegen die Roten auf. Bangkoker haben die nunmehr sechswöchige Belagerung durch einen harten Kern von Roten endgültig satt. Für Sicherheitskräfte geht es nun darum, Regierungsgegner und -anhänger voneinander fernzuhalten. Wenige Kilometer von den Rothemden entfernt versammelten sich gestern friedlich Tausende von „Vielfarbigen“, die kunterbunte Hemden tragen, nur nicht rote.

Am späten Donnerstag war es in Bangkoks Geschäftsviertel zum zweiten Blutvergießen seit dem 10. April gekommen. Damals waren mehr als 20 Menschen getötet worden. Diesmal bewarfen sich Gegner und Rote gegenseitig mit Flaschen und schrieen sich Obszönitäten zu. Plötzlich wurden von Unbekannten fünf Granaten gegen Unbeteiligte und die Regierungsanhänger abgefeuert. Eine junge Frau starb, drei Touristen erlitten Verletzungen. Die Rothemden wiesen jede Verantwortung zurück und beschuldigten eine Drittpartei oder Hardliner-Militärs, als Vorwand für einen Coup ein Blutbad anzurichten. Viele Geschäfte an Bangkoks Finanzmeile Silom blieben gestern geschlossen, die Hochbahn machte um 18 Uhr dicht. Unterdessen wurden beide Seiten von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und den USA zu Gewaltverzicht und Dialog aufgerufen. Regierungen weltweit verschärften Reisewarnungen. Auch das Auswärtige Amt in Berlin riet am Freitag von „nicht unbedingt notwendigen Reisen nach Bangkok“ ab.

Der thailändische Premier Abhisit Vejjajiva weigert sich weiterhin, dem Druck von Protesten nachzugeben. Doch statt für Ruhe und Ordnung zu sorgen, nehmen seine Sicherheitskräfte weder Protestführer noch Aufrührer fest. Die wie gelähmte Regierung fürchtet neue Tote. 60 000 Truppen stehen bereit. Doch Armeechef Anupong Paochinda bestätigte am Freitag, dass die Soldaten den Protest nicht gewaltsam auflösen werden: „Eine Niederschlagung der Proteste würde mehr schaden als nützen“, sagte Anupong. Die Armee schieße nicht auf Thais.

Die „rote Zone“ mutet wie ein Jahrmarkt an, wo von roten Fanartikeln über Snacks, Luftballons, Souvenirs und Unterwäsche so ziemlich alles verkauft wird. Die Armee forderte die Roten in der Nacht auf Freitag über Lautsprecher abermals auf, nach Hause zu gehen. Diese lachten nur und stellten sich schon auf eine Erstürmung mit Rauchbomben ein, während vor der Hauptbühne der Roten zu Volksmusik getanzt wurde. Die Roten zählen auf Insiderinformationen von sogenannten „Wassermelonen-Soldaten“ und „Tomaten-Polizisten“, also Sicherheitskräften, die mit den Demonstranten sympathisieren. So berichtete Fernsehreporterin Thapanee Ietsrichai, wie ein Polizist Aufrührer verhaften wollte, die Molotowcocktails warfen. Soldaten hätten dies verhindert.

In der Bevölkerung wächst der Zorn über die Unfähigkeit von Regierung und Sicherheitskräften, ein paar tausend Radikale von den Straßen zu vertreiben. Luxushotels haben aus Sorge vor Gewalt seit Dienstag geschlossen, Ladenbesitzer fordern von der Regierung Millionenentschädigungen. Von einem breiten roten Volksaufstand kann aber nicht die Rede sein. Abgesehen von den verbarrikadierten Anhängern des weggeputschten Premiers Thaksin Shinawatra sind auf Bangkoks Straßen keine Rothemden zu sehen. Im Gegenteil wächst die Zahl der bunten Hemden an, während die Regierungsanhänger, die Gelbhemden, drohen, nach Ablauf einer Frist mit den Demonstranten eigenhändig aufzuräumen. Unterdessen kamen aus den Reihen der Roten neue Signale der Gesprächsbereitschaft. Damit wolle man „den Verlust von weiteren Menschenleben verhindern“, sagte der Thaksin-treue ehemalige Politiker Chaturon Chaisang. Offenbar verlangen die Roten keine sofortige Auflösung des Unterhauses mehr, sondern wollen der Regierung eine Frist von einem Monat gewähren.

Daniel Kestenholz

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