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Politik: Theoretisch gut

Die Hilfe für Afghanistan muss besser koordiniert werden, sagen die Geber. In der Praxis hapert das noch

Berlin - Fünf Jahre nach dem Sturz der Taliban in Afghanistan sind sich alle Beteiligten einig: Der Wiederaufbau gelingt nur, wenn Zusammenarbeit und Hilfsleistungen der internationalen Gemeinschaft besser koordiniert werden. Da das vergangene Jahr aber das blutigste seit 2001 war und für das Frühjahr eine neue Offensive der Aufständischen im Süden und Osten des Landes erwartet wird, ist auch klar, dass sich die Erkenntnis noch nicht ausreichend in der Praxis niederschlägt. Oder, wie Außenminister Frank- Walter Steinmeier (SPD) es zu Beginn des zweitägigen Treffens des Gemeinsamen Koordinierungs- und Beobachtungsausschusses zu Afghanistan (JCMB) am Dienstag in Berlin in einer Frage formulierte – „Sind die politischen Entscheidungen in den Hauptstädten bereits ausreichend in Taten umgesetzt worden?“.

Vor dem Treffen des JCMB, dem neben sieben afghanischen Vertretern die Gesandten weiterer 22 Länder sowie internationaler Organisationen angehören, hatte der US-Vizeaußenminister für Zentralasien, Richard A. Boucher, die deutschen Bemühungen um eine bessere Koordinierung begrüßt und einen „umfassenden Ansatz“ aus militärischen wie zivilen Komponenten als essenziell für den Wiederaufbau bezeichnet. Die Amerikaner hatten vergangene Woche weitere Hilfe in Höhe von 8,1 Milliarden Euro für Afghanistan angekündigt, die EU will für Justizreform, ländliche Entwicklung und Gesundheitsvorsorge zusätzliche 600 Millionen Euro bis 2010 bereitstellen.

Als besonders wichtig hob Steinmeier die Reform des Sicherheitssektors hervor, wobei Deutschland beim Aufbau der afghanischen Polizeikräfte als „Schlüsselstaat“ eine „besondere Verantwortung“ trage. Die Amerikaner hatten zuletzt die zeitintensiven deutschen Anstrengungen kritisiert; in Nato-Kreisen hieß es jedoch, der US-Ansatz habe zwar mehr, dafür aber auch schlecht ausgebildete Beamte produziert. Offenbar haben die US-Ausbilder eine Art Hilfspolizei rekrutiert, der auch korrupte, mit den Taliban sympathisierende Stammesvertreter angehören. Wenn diese Männer nach einer zehntägigen Grundausbildung dann als Hilfspolizisten eingesetzt würden, könne „dies nicht gut gehen“, so die Einschätzung von Afghanistanexperten. Der neueste Bericht von Human Rights Watch zu Afghanistan unterstreicht die prekäre Sicherheitssituation. Nach den Erkenntnissen der Menschenrechtsorganisation sind im vergangenen Jahr der Gewalt mindestens 1000 Zivilisten zum Opfer gefallen. Steinmeier kündigte nun an, Berlin werde sein Engagement verstärken und „europäisieren“, der EU-Ministerrat werde in der ersten Februarhälfte eine europäische Polizeimission in Afghanistan beraten.

In einer schriftlichen Stellungnahme zum JCMB-Treffen bezeichnet die Regierung in Kabul eine starke Polizei als „genau so essenziell wie eine starke Armee“. Generell habe man – also auch die internationale Gemeinschaft – die Aufgabe in Afghanistan absolut unterschätzt, sowohl was die Herausforderungen an sich als auch deren Dauer betreffe. Weder in die Entwicklung von Sicherheit, Wirtschaft, noch politischer Institutionen sei ausreichend investiert worden. Trotz gezahlter Millionenbeträge fehle es gerade in den Provinzen und Distrikten an entsprechender Infrastruktur und qualifiziertem Personal. „Wir sind hier nicht auf dem richtigen Weg“, so die Schlussfolgerung.

Amerikas Botschafter in Kabul, Ronald E. Neumann, hält ebenfalls den Aufbau eines funktionierendes Justizsystem sowie eine Verwaltung im ganzen Land, die gut arbeitet und nicht korrupt ist, für extrem wichtig. Allerdings fehle es an entsprechend ausgebildeten Fachleuten, die diese Jobs übernehmen könnten, sagt er. Schließlich sei das gesamte Bildungssystem in den Jahrzehnten des Bürgerkriegs und der Talibanherrschaft mehr oder weniger zerstört worden.

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