zum Hauptinhalt

Politik: Tod im Maschinenraum

Neues Flüchtlingsdrama vor der italienischen Insel Lampedusa: 25 junge Afrikaner ersticken in einem völlig überfüllten Fischerboot

Bei der Überfahrt von Libyen zur italienischen Insel Lampedusa sind in der Nacht zum Montag 25 afrikanische Flüchtlinge ums Leben gekommen. Die 24 Männer und eine Frau befanden sich, eng zusammengepfercht, im Bauch des Fischerboots, nahe am Motor. An dessen Abgasen sind sie nach den ersten Hypothesen der Polizei erstickt. Retten konnten sich diese Menschen nicht mehr. Die enge Luke zum Deck ließ sich nicht öffnen, da das kleine Boot mit 271 weiteren Flüchtlingen bis auf den letzten Fleck besetzt war.

Das altersschwache, nur 15 Meter lange Fischerboot aus Libyen war drei Tage unterwegs in Richtung Lampedusa. Die Menschen im Rumpf dürften nach Einschätzung der Polizei bereits in den ersten 24 Stunden der Reise qualvoll gestorben sein. Die anderen Flüchtlinge haben von dem Leiden unter Deck nach ersten Angaben gar nichts mitbekommen.

Dieses Jahr haben nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR bereits 47 500 Menschen aus Nordafrika nach Italien übergesetzt, die meisten davon nach Lampedusa. Während der Fluss der Tunesier (24 500) nach dem Abkommen zwischen Rom und Tunis im April praktisch versiegt ist, fliehen von Libyen aus beständig weitere Personen.

Nach Angaben des UNHCR handelt es sich dabei fast ausschließlich um Afrikaner aus Ländern südlich der Sahara, die in Libyen gelebt und seit Monaten oder Jahren auf eine Gelegenheit zur Überfahrt gewartet haben. Ihre Situation war immer schon besorgniserregend. Den Berichten zufolge wurden diese Afrikaner von ihren Schleusern oder libyschen Arbeitgebern ausgebeutet. Während der Aufstände der libyschen Rebellen sahen viele Einheimische in den Schwarzafrikanern „Söldner Gaddafis“. Mitarbeiter des UNHCR berichtet, dass sich viele angesichts blutiger Verfolgung nicht mehr heraus trauten.

Unter diesen Afrikanern sind viele Somalier, die angesichts der Anarchie in ihrer Heimat schon lange jegliche Aussicht auf eine Rückkehr verloren hatten. Auch viele Eritreer verlassen ihr zunehmend diktatorisch regiertes Land. 23 000 dieser Menschen sind dieses Jahr bereits in Italien angekommen; von tausend weiteren weiß man sicher, dass sie bei der Überfahrt gestorben sind. Wie viele Flüchtlinge darüber hinaus die Strecke nicht geschafft haben, ist unbekannt. Erst im April waren 250 Menschen vor Lampedusa umgekommen, just in dem Moment, als das Schiff der Retter an das Flüchtlingsboot andocken wollte, kippte dieses um.

Am Montag haben einige Hundert afrikanische Flüchtlinge mehrere Stunden lang in der süditalienischen Stadt Bari randaliert. Sie blockierten eine vierspurige Staatsstraße sowie eine Eisenbahnlinie und gingen mit Steinen auf Polizisten los. 30 Menschen wurden verletzt. Die Afrikaner protestierten dagegen, dass sie seit Monate in einem Auffanglager festgehalten würden, ohne dass die Behörden ihre Asylanträge bearbeiteten. „Gebt uns unsere Papiere, dann lösen wir die Barrikaden auf!“, riefen sie den Polizisten zu.

Vertreter der italienischen Opposition kritisieren immer wieder, die rechtsgerichtete Regierung von Silvio Berlusconi behandle „unschuldige Flüchtlinge wie Häftlinge“ und halte sie „ohne Prozess in Gefängnis-Lagern“ fest. Die Regierung hatte zuletzt die mögliche Aufenthaltsdauer in diesen „Aufnahmezentren für Asylsuchende“ von sechs auf 18 Monate verlängert. Gewaltsame Proteste dagegen hat es bereits mehrfach gegeben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false