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Todernste Fragen: Bundestag stimmt über Patientenverfügungen ab

Der Bundestag stimmt nun doch über Patientenverfügungen ab – wenn er sich auf Wahlmodus einigen kann.

Nun also doch. An diesem Donnerstag wird das Parlament über ein Gesetz zur Gültigkeit von Patientenverfügungen befinden. Es ist eines der letzten großen Themen, das der Bundestag noch vom Tisch bekommen kann – am 3. Juli verabschieden sich die Abgeordneten in Sommerpause und Wahlkampf. Und es war haarscharf. Wegen politischer Taktiererei wäre es fast nichts mehr geworden mit der seit Jahren in zahlreichen Gremien vorbereiteten Beschlussfassung.

Dabei geht es um todernste Fragen. Wann darf eine lebenserhaltende Therapie von Sterbenskranken beendet werden? Wer hat darüber zu entscheiden, wenn es der Patient selber nicht mehr kann? Und wie ernst ist ein vorab geäußerter Wille des Patienten zu nehmen? Für die Debatte ist, da es um Gewissensfragen geht, die Fraktionsdisziplin aufgehoben. Dass sie in ein Gesetz mündet, ist jedoch nicht sicher. Erstens kommt bisher keiner der drei vorliegenden Gesetzentwürfe auf die nötige Mehrheit von 307 Stimmen. Und zweitens gibt es nun auch einen Antrag aus der Union, von dem schwierigen Thema lieber ganz die Finger zu lassen.

Über dieses Ansinnen stimmen die Abgeordneten als erstes ab – schließlich könnten sie sich im Falle einer Mehrheit dann den Rest der Debatte sparen. Dass es dazu kommt, ist unwahrscheinlich. Der Vorstoß fand zwar den Beifall von Kirchen und Ärzteverbänden, brachte es im Parlament aber nur auf 39 Unterzeichner.

Die meisten unterschrieben den Antrag, der inhaltlich am weitesten geht. Mit 280 Gleichgesinnten fordert der SPD-Rechtsexperte Joachim Stünker, dass schriftliche Verfügungen für Ärzte absoluten Vorrang haben müssen – unabhängig von Art und Verlauf der Krankheit. Letzteres empfinden 113 Abgeordnete um Wolfgang Bosbach (CDU), Katrin Göring-Eckardt (Grüne) und Rene Röspel (SPD) als höchst problematisch: Ihnen zufolge sollen Verfügungen nur gelten, wenn die Krankheit irreversibel in Tod oder Bewusstseinsverlust mündet. Zudem müssten sie im Fünf-Jahres-Takt aktualisiert und unter ärztlichem Rat verfasst sein. Der dritte Antrag – ersonnen von Wolfgang Zöller (CSU) und Hans- Georg Faust (CDU) und versehen mit 61 Autogrammen – will, dass Ärzte und Angehörige im Zweifel entscheiden, dabei aber auch mündliche Patientenvorgaben berücksichtigen sollen.

Obwohl 454 Abgeordnete also erklärtermaßen ein Gesetz wollen, stand die Abschlusslesung Spitz auf Knopf. Der Grund: ein Streit um das Abstimmungsverfahren, der nach wie vor nicht beigelegt ist. Nach Bundestags-Usus wird zunächst über das Ansinnen abgestimmt, das die meisten Unterstützer hat, inhaltlich am weitesten geht oder als erstes eingereicht wurde. Das wäre in allen Fällen der Stünker-Antrag. Allerdings haben Anträge, die später abgestimmt werden, weit höhere Chancen – weil ihnen dann als kleinerem Übel womöglich noch die Stimmen von zuvor Unterlegenen zufallen.

Es könne ja wohl nicht sein, schimpft Carola Reimann (SPD), dass man denen, die am schnellsten waren und die meisten Unterstützer haben, daraus „einen Strick dreht“. Die Stünker-Truppe fordert daher ein anderes Prozedere: die gleichzeitige Abstimmung aller drei Anträge nach dem K.-o.-Prinzip. Da dies die Chancen der anderen mindert, sind die damit natürlich nicht einverstanden. „Kommt nicht infrage“, tönt Bosbach. Und so wird am Donnerstag , bevor man sich in ethische Tiefen begibt, zunächst darüber abgestimmt, wie überhaupt abgestimmt werden soll.

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