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Politik: Todesstrafe ja, aber wie?

In den USA haben zwei Verurteilte gegen die Hinrichtung mit der Giftspritze geklagt – jetzt berät der Supreme Court

Der Delinquent stöhnte und wand sich, dann ächzte er: „Es funktioniert nicht.“ Es dauerte fast eine Stunde, bis alles Leben aus dem Gefangenen gewichen war. Diesen Fall in Ohio und einen weiteren in Florida nutzen zwei Todeskandidaten in Kentucky für eine Klage gegen die Hinrichtung mit der Giftspritze. Diese sei eine „grausame und ungewöhnliche Bestrafung“ und verstoße somit gegen die amerikanische Verfassung. Am Montag debattierte der Supreme Court in Washington nun die Frage, wie human die bislang eingesetzte Todesspritze ist. Die Entscheidung der Richter wird im Juli erwartet. Äußerungen eines der höchsten Richter, David Souter, während der Verhandlung deuten darauf hin, dass niedrigere gerichtliche Instanzen aufgefordert werden könnten, nach schmerzlosen Alternativen zu suchen. Das würde dazu führen, dass Hinrichtungen jahrelang ausgesetzt bleiben würden. Der konservative Richter Antonin Scalia stellte allerdings die Frage, weshalb für die Hinrichtung eines Mörders die „am wenigsten schmerzhafte Methode“ gewählt werden müsse. Dagegen sagte der liberale Richter John Paul Stevens, er sei „fürchterlich beunruhigt“ darüber, dass die Giftspritze „qualvolle Schmerzen“ auslösen kann. Der Anwalt Roy Englert argumentierte für den Staat Kentucky, dass es kein „ausreichendes Risiko“ von Schmerzen gebe.

Obwohl sie nicht darüber richten, ob die Todesstrafe in den USA Bestand haben soll, facht der Fall neue Diskussionen darüber an. Laut einer Umfrage des Gallup-Instituts befürworten 69 Prozent der Amerikaner weiterhin die Hinrichtung von Schwerverbrechern. Doch die Zustimmung sinkt langsam. Mehr als ein Dutzend Fälle, in denen DNA-Tests bewiesen, dass Unschuldige hingerichtet wurden, haben Zweifel gesät. Im Dezember hatte der Bundesstaat New Jersey entschieden, die Todesstrafe zu verbieten.

Von den 37 US-Bundesstaaten, die Verbrecher weiterhin hinrichten, nutzen alle bis auf Nebraska einen Cocktail aus drei Substanzen für die Hinrichtung mit der Spritze: ein hoch dosiertes Schmerzmittel, ein Mittel, das den Körper lähmt, und eines, das zum Herzstillstand führt. Wenn das erste Mittel nicht wie geplant wirkt, stirbt der Verurteilte unter starken Schmerzen. Die Methode des chemischen Cocktails wurde in Oklahoma entwickelt und 1977 zum ersten Mal eingesetzt. Sie sollte „menschlicher“ sein als Hinrichtungsmethoden wie der elektrische Stuhl, das Vergasen oder das Hängen. Nur in Nebraska wird der elektrische Stuhl verwendet, in vier weiteren US-Bundesstaaten gilt er als „alternatives Hinrichtungsinstrument“. Als der Supreme Court im vergangenen September entschied, dass er sich des Falles annehmen wird, wurden alle Hinrichtungen in den USA suspendiert. „Der Fall wird die Todesstrafe nicht beenden“, sagt die Direktorin der Death Penalty Clinic an der Universität Berkeley, Elisabeth Semel, „und es geht auch nicht darum, dass gar keine Schmerzen entstehen. Die Frage ist, welche Maßnahmen angemessen sind, um zu vermeiden, dass Schmerzen entstehen.“

Der eine Kläger aus Kentucky sitzt wegen zweifachen Polizistenmordes in der Todeszelle. Der andere brachte zwei Eheleute bei dem Versuch um, ihr Auto zu stehlen, und verletzte deren Kind schwer.

Im vergangenen Jahr sind in den USA 42 Menschen hingerichtet worden, so wenig wie seit 1994 nicht mehr. 2003 waren es noch 71 gewesen, drei Jahre später 53.

Insgesamt befinden sich derzeit mehr als 3200 Menschen in amerikanischen Todeszellen. Durchschnittlich warten sie mehr als 17 Jahre auf ihre Hinrichtung. In einem gesonderten Fall wird sich der Oberste Gerichtshof des Landes in diesem Jahr noch einmal mit der Todesstrafe befassen. Dann geht es darum, ob sie nur wegen Mordes verhängt werden darf oder künftig auch bei Vergewaltigungen von Kindern unter zwölf Jahren. Mit der Frage, ob eine Hinrichtungsmethode „human“ sei, befassten sich die Richter zuletzt 1879. Damals urteilten sie, dass der Tod durch Erschießen durchaus mit der Verfassung vereinbar sei.

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