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TOKIO: Glück finden

Gerade hämmerte wieder ein Taifun auf Tokio ein, pfeifender Wind und treibender Regen. Es gibt vieles, das abschreckend an Tokio ist: drei oder vier Taifune pro Jahr, die Regenzeit im Sommer, mit dem unaufhaltbar steigenden Yen ist Tokio wieder eine der teuersten Städte der Welt, hunderte Menschen, die sich mit in den gleichen U-Bahn-Wagen drängen wollen, die Erdbebengefahr, die Nähe zum havarierten Akw in Fukushima und die nach einem Jahr nicht gelöste Frage der Energieversorgung, die Stromausfälle im Sommer befürchten lässt.

Gerade hämmerte wieder ein Taifun auf Tokio ein, pfeifender Wind und treibender Regen. Es gibt vieles, das abschreckend an Tokio ist: drei oder vier Taifune pro Jahr, die Regenzeit im Sommer, mit dem unaufhaltbar steigenden Yen ist Tokio wieder eine der teuersten Städte der Welt, hunderte Menschen, die sich mit in den gleichen U-Bahn-Wagen drängen wollen, die Erdbebengefahr, die Nähe zum havarierten Akw in Fukushima und die nach einem Jahr nicht gelöste Frage der Energieversorgung, die Stromausfälle im Sommer befürchten lässt.

Dennoch: Wo man rational gar nicht hinwollen kann, da will man dann nicht wieder weg. Die Zeit der Kirschblüte, wo nicht nur die Kirschen aufblühen, sondern auch alle Menschen froh den Weg ins Freie suchen, in Parks und Gärten. Die wunderschönen, trockenen und strahlend klaren Wintertage. Das reibungslos funktionierende Nahverkehrsnetz mit Zügen im Minutentakt. Die vielen Begegnungen mit Menschen aus allen Lebensbereichen. Das tägliche Staunen über Macken und Marotten, die von allen aber lächelnd toleriert werden. – Die Hilfsbereitschaft und Höflichkeit in Geschäften: Auch wenn man nichts kauft, wird man mit einem ehrlichen „Danke“ und einem Lächeln verabschiedet. Die weltweit vielleicht beste Gastronomie – jeder findet etwas.

Tokio ist eine Stadt, in der ein Europäer sich eigenen Raum verschaffen kann, wenn er ihn braucht, und vorurteilslos, spontan und herzlich Kontakt knüpfen kann, wenn er Anschluss sucht.

Fukushima und das Erdbebenrisiko werden ein bisschen verdrängt, andererseits ist die Stadt gut vorbereitet: Vorräte sind angelegt, Turnhallen stehen als Aufnahmelager bereit, die Gebäude sind, soweit technisch möglich, gegen Beben gesichert. Und die Japaner haben sich mit der Natur arrangiert. Wenn beim Taifun – wie gerade vor wenigen Tagen geschehen – der Zugverkehr für eine Stunde zusammenbricht, bedeutet das nicht die Welt. Verniedlicht das die Gefahr? Ja, vielleicht. Andererseits kann man an Sachen, die man nicht kontrollieren kann, eigentlich nur entspannt rangehen. So lebt man in Tokio. Nicht kritiklos in den Tag hinein, sondern Glück in dem findend, was kommt. Jesper Weber

Jesper Weber

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