zum Hauptinhalt
Lebensretter. „Menschliche Organe“ werden europaweit vermittelt.

© ddp

Transplantation: Jeder Widerspruch gilt

Österreich geht einen anderen Weg als Deutschland. Wie in vielen osteuropäischen Ländern gibt es in Österreich seit 20 Jahren die sogenannte „Widerspruchsregelung“.

Deutsches Fernsehen kann trügerisch sein – zumindest beim Thema Organtransplantationen. Weil die Berichte über Frank-Walter Steinmeiers Nierenspende auch in Österreich empfangen werden können, glauben manche Bürger der Alpenrepublik, dass ihnen Organe nach dem Tod nur mit ausdrücklicher Zustimmung entnommen werden können. Doch dem ist nicht so.

Wie in vielen osteuropäischen Ländern gibt es in Österreich seit 20 Jahren die sogenannte „Widerspruchsregelung“: Wer sich nicht bereits zu Lebzeiten dagegen verwehrt hat, gilt nach dem Tod automatisch als Organspender. Das „Vorrecht“ des Lebens, heißt es im Obduktionsrecht, stünde „im Interesse der Volksgesundheit über der Totenruhe“.

Der Gesetzgeber folgte damit einer Empfehlung des Europäischen Rates, der sich bereits in den späten 60er Jahren gegen das deutsche System des „Organspendeausweises“ ausgesprochen hatte.

In der Tat gibt es in Österreich auffällig viele Transplantationen: Im Vorjahr entfielen auf eine Million Einwohner 25 Organspender – der höchste Wert seit Einführung der Regelung. Das kleine Österreich gehört damit nach Spanien, den USA und Belgien zu den Spitzenreitern bei Organspendern. Zum Vergleich: In Deutschland kommen auf eine Million Einwohner gerade einmal 15 Spender.

Ziel der Gesundheitsbehörden bleibt es dennoch, die Quote durch gezielte Programme auf bis zu 30 Spender zu schrauben. Denn der Bedarf an Ersatznieren, Lebern oder Herzen kann trotz Widerspruchsregelung nicht einmal ansatzweise gedeckt werden. Derzeit kommen 1100 Patienten auf 209 Spender. „Immer noch sterben Menschen auf den Wartelisten, weil sie nicht die Chance auf eine Transplantation erhalten“, heißt es in einer aktuellen Gesundheitsstudie. „Das müsste nicht sein.“

Die Widerspruchsregelung soll nicht zuletzt der Gefahr einer drohenden Zweiklassenmedizin vorbeugen: „Man wollte damit vermeiden, dass Organspenden zu einem Geschäft werden“, so eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums.

Politisch herrscht über das Gesetz unter allen Parteien Einigkeit, auch gesellschaftlich sei es „weitgehend akzeptiert“, sagt Gerhard Neustifter, Sprecher der Patientenanwaltschaft Wien. „Es gibt kaum Beschwerden, auch nicht von Angehörigen.“ Rechtlich können sie kaum verhindern, dass einem verstorbenen Familienmitglied Organe entnommen werden. Die Praxis sieht oft anders aus, wie Barbara Schleicher vom Gesundheitsinstitut ÖBIG bestätigt: „Jeder Widerspruch gilt, auch wenn er mündlich im Kreis der Verwandten vorgetragen wurde.“

Weil über Transplantationen oft innerhalb weniger Stunden entschieden werden muss, bleibt jedoch nicht immer die Zeit, Angehörige zu informieren. Sicherheit bietet daher nur ein Eintrag im zentralen Widerspruchsregister, das 1995 eingerichtet wurde. Nach dem Tod eines Patienten müssen Ärzte dieses verpflichtend abrufen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie fündig werden, ist gering: Von 8,3 Millionen Österreichern haben sich gerade einmal 21 000 als Nichtspender registrieren lassen.

Wolfgang Rössler[Wien]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false