zum Hauptinhalt

Treffen der Spitzenkandidaten: Analyse des TV-Duells: Strategie, Körpersprache, Botschaften

Merkel und Steinmeier haben die (Medien-)Öffentlichkeit enttäuscht. So duellierten sie sich entgegen aller Erwartung nicht selbst sondern mit den Moderatoren.

Dies war ein geschickter, wenngleich auch sehr riskanter Schachzug. Steinmeier stellte als Initiator dieser Kommunikationsstrategie seinen Führungsanspruch unter Beweis.

So wehrte er sich anders als Merkel ("so lassen Sie mich doch ausreden"), die dabei eher angespannt und unsicher wirkte, indem er die Unterbrechung abfederte oder konterte. Um danach an dem Vorausgesagten anzuknüpfen. Man könnte auch sagen: souverän nahm er Merkel an die Hand, um sich gegen die Moderatoren zur Wehr zu setzen.

Steinmeiers Verbrüderungsstrategie

Er verbrüderte sich aber auch mit den Moderatoren, um sich Merkel gegenüber zu behaupten, ohne sie direkt anzugreifen. Wie beim Billard punktete er über Bande. Konnte er doch hierdurch in die Rolle des Angreifers schlüpfen, ohne Merkel direkt anzugreifen.

Dies drückte sich auch in der Körpersprache der beiden aus. Merkel punktete so wie man es von ihr gewohnt ist, in der direkten Beziehung (zu den Moderatoren). Dort wirkte sie souverän, locker, kompetent und charmant. Steinmeier hingegen, gerade dann wenn sie ihn direkt und persönlich ansprach, konnte sie noch nicht einmal ansehen. Stattdessen schaute sie, halb hin- oder auch abgewandt, zu Boden. Nun ist es aber gerade bei einem Duell wichtig, dem Gegner direkt in die Augen zu schauen, um vor allem dessen Reaktion direkt zu erfassen, um gegebenenfalls darauf gleich reagieren zu können.

Rhetorische Unterschiede

Steinmeier wirkte durch seine Bewegung und die Gestik in sich selbst sicher und flexibel in Bezug auf die nonverbale Beziehungsgestaltung. Sah man dabei Merkels Gesicht im Hintergrund des Fernsehbildes, so konnte man den Eindruck bekommen, sie wäre jeweils genervt, erbost oder beleidigt gewesen. Sie stützte sich aber nicht auf ihre eigenen Emotionen, wenn sie redete. Insoweit kann dies als Unsicherheit verstanden werden, mit dem Stress dieser Situation nicht klar zu kommen.

Rhetorisch gesehen gab es weitere deutliche Unterschiede. So begann Merkel ihre Aussagen oft mit den Worten "wir müssen...". Dies ist nach vier Jahren Regierung eher ein (moralischer)Appell statt ein Beleg für ihre konkreten Taten. Die Wähler wollen aber gerade bei einem TV-Duell Konkretes hören, etwas das sie selbst nachvollziehen können und was motivieren könnte Merkel zu wählen. Merkel verpasste hierdurch die Chance als tatkräftige erfolgreiche Kanzlerin wahrgenommen zu werden. Steinmeier hingegen betonte was er tut oder was er wegen des Widerstands der Union in der großen Koalition nicht tun konnte. Er zeigte sich hierdurch eher als konkret Handelnder, der in der Koalition gezwungen war, gewisse Dinge nicht tun zu können. Seine Ankündigungen bestimmte Dinge in Zukunft zu tun, ergeben sich somit schlüssig und können überzeugen.

Internationale Entwicklung oder soziale Gerechtigkeit

Inhaltlich haben sich beide prinzipiell klar mit ihren Leitmotiven positioniert. Merkel verwies regelmäßig auf die internationalen Entwicklungen, die zu berücksichtigen seien. Während Steinmeier kontinuierlich die soziale Gerechtigkeit anmahnte. Insoweit blieb er stimmig in Bezug auf die Grundprinzipien der eigenen Partei. Während Merkel nicht ein einziges Mal zum christlichen Leitmotiv Bezug nahm.

Dies kommt auch im Schlussstatement zum Ausdruck. Merkel betont eindeutig die Unionswerte im Wahlkampf wie Wachstum, Bildung und Arbeit, um dann auf ihrer Beliebtheit aufbauend für die Wählerstimmen zu werben ("....Ihre Stimme für mich"). Steinmeier hingegen betont Kernpunkte der politischen Stoßrichtung auf dem Hintergrund des Leitmotivs der SPD: soziale Gerechtigkeit. Insoweit positioniert er sich stimmig hinsichtlich der eigenen Partei ("ich stehe dafür...").

Merkel tut gut daran, den Abend zu vergessen und an dem anzuknüpfen was sie zuvor souverän unter Beweis gestellt hat.

Steinmeier könnte gut beraten sein, seinen aktuellen Adrenalinspiegel zu nutzen, um auf den letzten Metern richtig reinzuhauen.

Gastautor Ulrich Sollmann arbeitet als Berater und Coach in Wirtschaft und Industrie. Er ist Inhaber einer Praxis für Körper-Psychotherapie und bioenergetische Analyse in Bochum. Sollmann ist Begründer von charismakurve.de, einer Website, auf der Internetuser die Ausstrahlung der Spitzenkandidaten bewerten. Zudem publiziert er in verschiedenen Medien. 

Gastbeitrag von Ulrich Sollmann

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false