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Politik: Tripolis kämpft mit Milizen

Übergangsregierung hat Lage nicht unter Kontrolle.

Es wird wieder gekämpft in Libyen. Am Montag stürmten aufgebrachte Milizionäre den Flughafen in der Hauptstadt Tripolis. Mit schweren Maschinengewehren und gepanzerten Fahrzeugen verschafften sie sich Zugang zum Gelände, besetzten das Rollfeld und legten den Flugverkehr für mehrere Stunden lahm. Erst vor wenigen Wochen hatte eine libysche Miliz versucht, in den Amtssitz von Ministerpräsident Abdurrahim al Keib einzudringen. Mitten in Tripolis erinnert noch ein riesiges Trümmerfeld an die düsteren Zeiten unter Muammar al Gaddafi. Die alte Kommandozentrale des Diktators liegt in Schutt und Asche. Der Militärsitz und die früheren Verwaltungsgebäude auf dem riesigen Gelände sind nur noch Ruinen. Wo einst Gaddafis berüchtigtes Zelt stand, in dem er die Regierungschefs dieser Welt empfing, läuft ein streunender Hund durch Glasscherben und Betonreste. Auch von Gaddafis altem Wohnhaus ein paar Meter weiter ist nicht viel übrig geblieben. Das verschachtelte Gebäude ist bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Hunderte haben ihre Namen an die verrußten Wände gekritzelt.

Adel Mohammed hat die Härte des Gaddafi-Regimes zu spüren bekommen. Der junge Mann begehrte wie so viele seiner Generation auf gegen die brutale Führung – und wurde dafür bestraft. Mohammed wurde bei den Protesten gegen Gaddafi festgenommen und kam ins Gefängnis. Doch die Qualen sind weit weg. Mohammed sitzt an diesem Tag entspannt an einer Straßenecke in der Altstadt von Tripolis und raucht eine Zigarette. Frei fühle er sich – und froh, sagt er. Nur dass er keinen Job hat, macht ihm Sorgen. Schuld sei die schwache Übergangsregierung, klagt der 22-Jährige. Ein paar Meter weiter steht Raschid Schukri in einem spärlichen Raum mit einer alten Schreibmaschine. Der 70-Jährige war früher Lehrer und verdient sich nun mit Schreibarbeiten etwas Geld dazu. Auch er saß unter Gaddafi für mehrere Monate im Gefängnis, in den 80er Jahren. Jemand hatte ihn angeschwärzt, er habe einen Anschlag auf Gaddafi geplant. Schukri winkt ab. Lange sei das her, sagt er. „Jetzt ist Freiheit.“

Die Libyer bestimmen in wenigen Wochen ein provisorisches Parlament, das sich um eine neue Verfassung kümmern soll. Claudia Roth ist gerade in Tripolis, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Die Grünen-Chefin, die wegen des vorübergehenden Stillstands beim Flugverkehr ihren Aufenthalt in Libyen voraussichtlich unfreiwillig verlängern muss, stößt auf eine Mischung aus Euphorie und Ernüchterung. Die Situation in Libyen sei sehr fragil, sagt sie. „Die Gaddafi-Unterstützer sind nicht von einem Tag auf den anderen verschwunden.“ Immer wieder kommt es in Tripolis, aber auch anderswo im Land zu Schießereien und gewalttätigen Zwischenfällen. Massen an Gewehren und Pistolen sind im Umlauf. Die Sicherheitsstrukturen sind seit dem Krieg in sich zusammengefallen. Die Angreifer am Flughafen von Tripolis wehrten sich mit der Aktion gegen die Festnahme ihres Anführers. Die Übergangsregierung versucht, die alten Revolutionsgarden an sich zu binden, ihnen Geld zu bieten und sie unter ihre Kontrolle zu bringen. Doch das gelingt bislang nicht recht.dapd

Christiane Jacke[Tripolis]

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