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Trotz Protesten: Iran stellt Bahai-Führer vor Gericht

Scharfer Protest aus aller Welt konnte es nicht verhindern: Am heutigen Donnerstag beginnt im Iran voraussichtlich der Prozess gegen das gesamte informelle Führungsgremium der Bahai, der zweitgrößten Religionsgemeinschaft des Iran nach den Schiiten.

Fünf Männer und zwei Frauen wurden im Frühjahr 2008 festgenommen und sitzen seither im berüchtigten Evin-Gefängnis. Ihre Verteidigerin, die Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi, hatte bisher keinen Zugang zu ihren Mandanten. Der Generalstaatsanwalt bestätigte erst am 11. Februar, dass den sieben Personen „Spionage für Israel“, „Beleidigung religiöser Gefühle“ und „Propaganda gegen die Islamische Republik“ vorgeworfen wird – darauf steht im Iran die Todesstrafe. „Das sind vorgeschobene Gründe. Es geht darum, dass diese Personen Bahai sind“, sagt der Menschenrechtsreferent der Bahai-Gemeinde in Deutschland, Peter Amsler. Auch Amnesty International und andere Menschenrechtsorganisationen halten die Anklagen für „politisch motiviert“. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel schaltete sich ein. Ihr Berater für Außen- und Sicherheitspolitik, Christoph Heusgen, bestellte im Februar Irans Geschäftsträger in Deutschland ein und forderte ein öffentliches Verfahren, unabhängige Prozessbeobachter und Zugang der Anwältin zu Prozessakten und den Inhaftierten. „Wir sind Frau Merkel ganz besonders dankbar“, sagt Amsler.

Der Prozess ist der Höhepunkt neuer Unterdrückungskampagnen gegen die Bahai in ihrem Ursprungsland Iran. Die mystisch geprägte Religionsgemeinschaft hat im Iran etwa 350 000 Mitglieder, weltweit etwa sieben Millionen. Anders als die „Buchreligionen“ Christentum und Judentum wird der Bahai-Glaube im Iran jedoch nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt, seine Mitglieder gelten als „Abtrünnige“ vom Islam. Der Bahaismus entstand im 19. Jahrhundert durch die Stifter Bab und Bahaullah, Letzterer sah sich als der verschwundene zwölfte Imam, auf dessen Rückkehr die Schiiten warten. Dieser theologische Konflikt führte dazu, dass der schiitische Klerus den Bahaismus bekämpft. Beide Religionsstifter wurden verbannt und liegen in Haifa und bei Akko im heutigen Israel begraben. Daher haben die Bahai eher zufällig ihren Sitz in Israel, was vom Iran und arabischen Ländern immer wieder als Beleg für ihre Vorwürfe der zionistischen Verschwörung missbraucht wird.

Die sieben Verhafteten leiteten das informelle Führungsgremium der Bahai im Iran, das seit 20 Jahren vom Regime in Teheran geduldet wurde. Eine offizielle Vertretung der Bahai war 1983 gesetzlich verboten worden. Insgesamt sind nach Angaben der deutschen Bahai-Gemeinde derzeit 34 Religionsanhänger im Iran in Haft. „Meistens werden die Inhaftierten nach einem Tag oder einer Woche gegen eine sehr hohe Kaution wieder freigelassen“, erläutert Menschenrechtsreferent Amsler. Um das Geld aufzubringen, müssten die Menschen oft ihre Häuser verkaufen oder Geld leihen. „Damit wird die Bahai-Gemeinde systematisch ausgeblutet und eingeschüchtert.“ Erst im Januar war der Khavaran-Friedhof von Unbekannten mit Bulldozern zerstört worden. Auf der als „Friedhof der Ungläubigen“ verschrienen Grabanlage liegen Massengräber für Hunderte, die im Zuge der islamischen Revolution ermordet wurden, darunter auch die 1981 kollektiv ermordete achtköpfige Führung der iranischen Bahai. 

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