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Politik: Trotz Wahlsieg sind die Sozialisten enttäuscht - absolute Mehrheit knapp verfehlt

"Die Portugiesen dachten nicht, dass die Sozialistische Partei die absolute Mehrheit verdient", sagte der sichtlich enttäuschte sozialistische Regierungschef Antonio Guterres am Montagmorgen. "Ich muss die Demut haben, dies zu respektieren.

"Die Portugiesen dachten nicht, dass die Sozialistische Partei die absolute Mehrheit verdient", sagte der sichtlich enttäuschte sozialistische Regierungschef Antonio Guterres am Montagmorgen. "Ich muss die Demut haben, dies zu respektieren." Guterres, der in Portugal seit vier Jahren mit einer Minderheitsregierung an der Macht ist und Portugal überraschend zur Euro-Reife führte, hatte fest damit gerechnet, dass die Wähler ihn nicht nur bestätigen, sondern eine komfortable Mehrheit im Parlament verschaffen. Dieses Ziel wurde bei den Parlamentswahlen am Sonntag knapp verfehlt.

Die Sozialisten konnten sich nur geringfügig auf 43,99 Prozent steigern (1995: 43,9) und haben nun mit 113 statt bisher 112 Sitzen ein Mandat mehr. Aber immerhin fuhr Guterres damit den größten Wahlsieg in der Geschichte seiner Partei ein. Für die absolute Mehrheit im Parlament mit 230 Abgeordneten hätte Guterres jedoch mindestens 116 Mandate gebraucht.

Vermutlich ist Guterres Triumph durch die geringe Wahlbeteiligung am Sonntag verhindert worden. Nur knapp 62 Prozent aller Berechtigten gingen zu den Urnen - die geringste Quote aller Parlamentswahlen im demokratischen Portugal. 1995 hatten sich immerhin noch 67 Prozent aufgerafft. Guterres hatte seine Anhänger vergeblich gewarnt, sich des Sieges zu sicher zu sein und deswegen zu Hause zu bleiben. Nicht die Opposition, sondern "die Enthaltung ist mein größter Feind", hatte Guterres vorausahnend gesagt.

Die Wähler wollten, bilanzierte Guterres nun, "dass die Opposition zur Stabilität des Landes beiträgt". Eine bittere Pille für die Sozialisten, die jetzt ihr Reformprogramm zur Gesundung des kranken Finanz-, Sozial- und Bildungssystems nicht im Alleingang durchziehen können. Dabei wird sich Guterres wohl weiter auf wechselnde Mehrheiten verlassen müssen. Auch bisher schon hatte er immer wieder die größte Oppositionspartei, die liberal-konservativen Sozialdemokraten, ins Boot holen müssen.

Die Sozialdemokraten sackten, nach ihrem Machtverlust 1995, noch tiefer auf 32,3 Prozent (34,0). Innenpolitisch wie außenpolitisch liegen Sozialisten und Sozialdemokraten allerdings nicht weit auseinander. So werden die Sozialdemokraten mit ihrem Spitzenmann Jose Manuel Duro Barroso der Regierung wohl auch weiter den Steigbügel halten. Schließlich wollen sie sich nicht nachsagen lassen, dass sie den Anschluß des immer noch armen Portugals an den europäischen Wohlstand verhindern. Weit rechts von den Sozialdemokraten dümpelt die ultrakonservative Volkspartei, die um knapp einen Punkt auf 8,4 Prozent fiel.

Schwer dürfte sich Guterres mit den immer noch dogmatischen Kommunisten tun, die in der Wahl geringfügig auf neun Prozent zulegten und die Regierung nur stützen wollen, wenn sie ihren staatlichen Konsolidierungskurs sozial abfedert. "Die Tatsache, dass die Sozialisten nicht die absolute Mehrheit bekamen, ist sehr positiv für die Arbeiter", jubiliert Kommunisten-Chef Carlos Cavalhas. "Die Wähler wollen soziale Gerechtigkeit." Ähnlich äußerte sich auch der mit zweieinhalb Prozent neu ins Parlament eingezogene Linksblock.

Mehr soziale Gerechtigkeit forderten auch die Einwohner von einem Dutzend Dörfer, die den Wahlgang am Sonntag boykottierten. Wahlurnen und Abstimmzettel gingen in Flammen auf, riesige Müllberge vor den Wahllokalen zeugten davon, dass den Menschen hier etwas zum Himmel stinkt. Keine Ärzte, keine Schulen, kein genießbares Trinkwasser und geringe Einkommen - die Armut auf dem Lande ist immer noch groß.

Trotzdem. Seine Aufrichtigkeit und Bescheidenheit verschafften dem 50-jährigen Guterres in seinen vier Regierungsjahren auch viel Popularität. Davon war 1992, als er den Vorsitz der Sozialistischen Partei übernahm, noch keine Spur. Die Sozis steckten in der Krise, sie hatten gerade die Parlamentswahl mit mageren 29 Prozent verloren und Guterres stand tief im Schatten des sozialistischen Übervaters Soares, dem damaligen Präsidenten des Landes. Kaum jemand traute Guterres, der zwar immer korrekt, aber oft auch blass wirkte, die politische Wende zu. Überraschend holte Guterres schon 1995 den größten Sieg der Geschichte für seine Sozialisten. In den ersten vier Amtsjahren arbeitete er als Regierungschef vor allem durch einen eisernen Sparkurs auf den Eintritt in die Euro-Zone hin - auf Kosten sozialer Reformen. In seiner zweiten Amtszeit will er den Rückstand aufholen.

Ralph Schulze

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