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Alleine gegen Europa? Die US-Fahne flattert vor dem Hauptgebäude der EU-Kommission in Brüssel anlässlich des Besuchs von Vizepräsident Mike Pence.

© Reuters

Vor Merkels USA-Reise: Trump braucht Europa als Partner - und als Feindbild

Trumps Wähler wollen eine Abwendung von Europa. Deutsche Außenpolitiker rechnen dennoch damit, dass der Pragmatiker in Trump siegt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anna Sauerbrey

Lars Larson macht eine Radio-Show, die unter den Erzkonservativen in der Region um Portland, Oregon, ziemlich beliebt ist. Ich bin ihm bei meiner Reise in die USA vor drei Wochen über den Weg gelaufen. „Oh, das muss ja ganz großartig sein, in Deutschland zu leben“, ätzte Larson, als er hörte, wo ich herkomme. Sein Sarkasmus war piranhazahnscharf. Es folgte ein Deutschland-Porträt durch die Linse eines amerikanischen Rechtspopulisten: ein Land, in dem Frauen sich nicht allein auf die Straße trauen und die Bevölkerung in ständiger Terrorangst lebt. Ein Land mit Gettos und einer schwachen Führung, die vor den Islam kapituliert.

Wenn Angela Merkel am Dienstag zum ersten Mal Donald Trump trifft, tritt sie gegen dieses Deutschlandbild an. Was heißt das für die Stabilität der deutsch-amerikanischen Beziehungen?

In Trump-Amerika fallen die Europa-Sicht der neuen politischen Führung und das Europa in den Köpfen ihrer Wähler auseinander wie vielleicht noch nie. Die neue politische Elite scheint größtenteils an der transatlantischen Achse und der Nato festzuhalten. Das zumindest ist die Einschätzung führender deutscher Außenpolitiker kurz vor Merkels Reise.

Seit der Wahl haben die Deutschen zahllose Gespräche mit US-Regierungsmitgliedern, höheren und weniger hohen Beamten im Weißen Haus und mit Abgeordneten geführt, in Washington, beim G20-Außenministertreffen in Bonn und bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Neben Ursula von der Leyen und Sigmar Gabriel reisten unter anderem Angela Merkels außenpolitischer Berater Christoph Heusgen, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen, und Jürgen Hardt, Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit, in die USA. Wenn Trump als Präsident Erfolg haben will, so komme er letztlich an der Europäischen Union als Absatzmarkt und strategischem Partner nicht vorbei, geben sie sich überzeugt.

Trumps "Bewegung" als düstere Vision

Gemäßigte Kräfte wie Außenminister Rex Tillerson und Verteidigungsminister James Mattis würden sich schon Gehör verschaffen. Und je mehr die Deutschen zeigten, dass sie bereit sind, weltpolitisch Verantwortung zu übernehmen, so wurde deutschen Außenpolitikern bedeutet, desto leichter werde es sein, das transatlantische Bündnis im engeren Umfeld des Präsidenten zu verteidigen.

Selbst für die Handelspolitik wird vorsichtig Entwarnung gegeben, nachdem manche zu Beginn von Trumps Amtszeit einen mittleren Handelskrieg hatten aufziehen sehen: Trump hatte BMW mit Strafzöllen gedroht; sein Berater Peter Navarro hatte Deutschland der Währungsmanipulation bezichtigt. Heute sagt Jürgen Hardt, er erwarte, dass Handelsminister Wilbur Ross ein „guter Partner“ werde. „Er wird die europäisch-amerikanischen Handelsbeziehungen nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.“

Richtig ist: Als republikanischer Präsident braucht Trump Europa als Partner. Als Populist aber braucht er Europa als Dystopie, als vermeintlichen Beleg für jene düstere Vision, wohin sich der Westen entwickelt, sollte sein Abstieg nicht von einer „Bewegung“ gestoppt werden.

„Schaut euch an, was gestern Abend in Schweden passiert ist“, rief Trump vor einigen Wochen Anhängern in Florida zu – und konnte sicher sein, dass seine Wähler sofort verstehen, was er meint. Lars Larson ist nur einer von vielen erzkonservativen Medienmachern, die das Lieblings-Mem vom abgewrackten Europa füttern: Gibt man in die „Breitbart“-Suche „Germany“ ein, stößt man auf nichts als hohe Kriminalitätsraten, islamistische Anschläge und Kinderehen.

Im Januar meldete das Portal, in Dortmund hätte in der Silvesternacht eine Menge von 1000 Personen „Allahu Akbar“ gerufen und die älteste Kirche Deutschlands angezündet („Allahu Akbar“ hatte nur eine kleine Gruppe gerufen, gebrannt hatte nur ein an einem Baugerüst befestigtes Netz, die Ursache dafür war eine verirrte Silvesterrakete und die Kirche ist nicht die älteste von Deutschland.)

"Die Leute in Aufregung halten - dafür ist Bannon da"

Deutsche Politiker sind nicht blind für diesen inneren Widerspruch der Trump-Regierung. „Trump wird immer etwas tun müssen, um seine Leute in Aufregung zu halten. Dafür ist Stephen Bannon da“, sagt Jürgen Hardt. Peter Wittig, dem deutschen Botschafter in Washington, ist es mittlerweile gelungen, Bannon zu treffen. Laut der Nachrichtenagentur Reuter (die Deutschen schweigen dazu) soll Bannon bei dem Treffen nationalistische Kräfte in Europa gelobt und bekräftigt haben, man strebe bilaterale Beziehungen statt Beziehungen zur EU an. Und dennoch glauben deutsche Außenpolitiker offenbar – oder transportieren das zumindest vor Merkels Reise – man werde sich schon zurechtraufen.

Im besten Fall sind Trump und Bannon Pragmatiker genug, um eine Doppel-Strategie zu fahren: Im Stillen an der transatlantischen Zusammenarbeit festhalten, rhetorisch immer feste drauf. Doch Trumps Anhängerschaft wird mehr wollen. Und sollte Trump der Populist bleiben, der er heute ist, wird er ihr mehr geben müssen. Die Europa-Verachtung unter Trumps Anhängern ist kaum zu überschätzen.

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