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Türkei: Drei Festnahmen nach Journalistenmord

Nach dem Mord an dem 52-jährigen türkischen Journalisten Hrant Dink wurden drei Verdächtige festgenommen. Der prominentesten Vertreter der armenischen Minderheit in der Türkei wurde bei einem Mordanschlag in Istanbul getötet.

Istanbul - Der wegen "Beleidigung des Türkentums" verurteilte Herausgeber der Wochenzeitung "Agos" wurde Medienberichten zufolge mit drei Schüssen in Kopf und Hals getroffen. Der Anschlag ereignete sich am frühen Nachmittag, als der Journalist das Gebäude seiner Zeitung im europäischen Zentrum der Stadt verließ. Die Polizei nahm drei Verdächtige fest. "Die Aufklärung steht unmittelbar bevor", sagte Istanbuls Provinzgouverneur Muammer Güler. "Wir haben klare Beweise." Mehrere tausend Menschen demonstrierten in Istanbul gegen das Verbrechen.

Der Mord rief in der Türkei und in Europa Entsetzen hervor. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sprach von einem "abscheulichen Attentat", das "gegen uns alle als Nation, gegen unsere Einheit und unser Zusammenleben, gegen Frieden und Stabilität" gerichtet gewesen sei. "Auf die Freiheit des Denkens und unser demokratisches Leben sind Kugeln abgefeuert worden", sagte der Regierungschef. Die Regierung werde alles daran setzen, die Täter und möglichen Hintermänner so schnell wie möglich zu fassen.

Die deutsche EU-Präsidentschaft reagierte mit Erschütterung auf den Mord. "Hrant Dink war ein mutiger Journalist, der seine Sache mit anhaltendem Einsatz für Demokratie und Meinungsfreiheit verbunden und dabei große persönliche Risiken in Kauf genommen hat", hieß es in einer am Freitag in Berlin veröffentlichten Erklärung. EU- Erweiterungskommissar Olli Rehn würdigte Dink als respektierten Denker und einen Streiter für die Meinungsfreiheit in der Türkei.

Weiteres Verfahren drohte

Der Journalist war in der Türkei seit längerem Anfeindungen nationalistischer Kreise ausgesetzt. Wegen eines Artikels über armenische Identität war Dink wegen "Beleidigung des Türkentums" zu einer Haftstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Das Urteil war im vergangenen Jahr vom obersten Gericht der Türkei bestätigt worden. Wegen desselben Delikts drohte dem Journalisten ein weiterer Strafprozess, nachdem er die Massaker an den Armeniern im Ersten Weltkrieg in einem Interview als "Völkermord" bezeichnet hatte.

Das Ergebnis der Armenier-Vertreibungen im Osmanischen Reich spreche für sich, hatte Dink in dem Interview gesagt: "Wir sehen, dass ein Volk, das 4000 Jahre auf diesem Boden gelebt hat, ausgemerzt worden ist." Der Anklage lag der von der EU als Einschränkung der Meinungsfreiheit in der Türkei heftig kritisierte Paragraf 301 zu Grunde, der für Beleidigung des Türkentums Haftstrafen von bis zu drei Jahren vorsieht.

Auch Nobelpreisträger Pamuk vor Gericht

Wegen dieses Paragrafen waren in der Türkei auch der Literaturnobelpreisträger von 2006, Orhan Pamuk, und die Schriftstellerin Elif Shafak vor Gericht gestellt worden. Das Verfahren gegen Pamuk war eingestellt, Shafak freigesprochen worden. Beide hatten sich mit der Frage eines Völkermordes an den Armeniern auseinander gesetzt - ein Vorwurf, der von der Türkei heftig bestritten wird und noch heute weitgehend ein Tabu-Thema ist.

Wegen seines Engagements für die armenische Minderheit in der Türkei war Dink im vergangenen Jahr in Hamburg mit dem Henri-Nannen- Preis für Pressefreiheit 2006 ausgezeichnet worden. Chefredakteur Thomas Osterkorn erklärte am Freitag, Dink sei beherzt für die Gleichberechtigung der Armenier eingetreten und "hat die Mauer des Schweigens und der Angst immer wieder durchbrochen. (tso/dpa)

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