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Türkei: Eine Bombe gegen die Hoffnung auf Frieden

Bei der Explosion eines mutmaßlich von kurdischen Rebellen gezündeten Sprengsatzes sind am Mittwochmorgen in Südostanatolien neun türkische Soldaten getötet worden. Die Bombe traf auch die Hoffnungen auf ein Ende der Gewalt im Kurdengebiet.

Die Täter passten den Zeitpunkt für die Explosion genau ab. Als ein türkischer Militärkonvoi, bestehend aus einem Panzer und einem gepanzerten Mannschaftstransporter, am Mittwochmorgen eine einsame Landstraße in Südostanatolien in der Nähe der Stadt Lice passierte, warteten die unbekannten Gewalttäter in einem Versteck zunächst ab. Erst als der Panzer vorbeigefahren war und sich der Mannschaftswagen näherte, zündeten sie die im Straßengraben versteckte Bombe, die stark genug war, um den vier Zentimeter dicken Stahl im Boden des Fahrzeugs zu durchschlagen. Mindestens neun Soldaten starben. Es war der schwerste Schlag gegen die Armee seit einiger Zeit.

Die kurdische Rebellengruppe PKK kämpft in jüngster Zeit häufig mit solchen Anschlägen gegen die türkische Armee. Die PKK hat die Taktik der "roadside bombs" offenbar im irakischen Bürgerkrieg gelernt - schließlich verschanzen sich die mehreren tausend Kämpfer der Kurdenrebellen im Norden Iraks.

Pan-kurdische Konferenz geplant

Die Bombe traf auch die Hoffnungen auf ein Ende der Gewalt im Kurdengebiet. Erst vor kurzem hatten die irakischen Behörden die PKK aufgefordert, den bewaffneten Kampf gegen Ankara einzustellen. Der Druck auf die Rebellen war groß. Für die kommenden Wochen plant der irakische Staatspräsident Dschalal Talabani, selbst ein mächtiger Kurdenpolitiker, eine pan-kurdische Konferenz, bei der die PKK offiziell zum Gewaltverzicht aufgefordert werden soll.

Nach unbestätigten Berichten sprechen Türken, Iraker, Amerikaner und Europäer hinter den Kulissen auch über die Möglichkeit, den PKK-Anführer freies Geleit in ein Drittland zuzusagen, wenn sie den 1984 begonnenen Kampf gegen Ankara aufgeben sollten. Gleichzeitig macht sich Ankara Gedanken über wirksame Amnestieregelungen, um PKK-Mitgliedern die Rückkehr in ein normales Leben zu ermöglichen. Entsprechende Gesetze müssten für rückkehrwillige Rebellen attraktiver ausgelegt werden, sagte der türkische Generalstabschef Ilker Basbug am Mittwoch.

Erdogan: Kampf gegen die PKK geht weiter

Nie in den vergangenen Jahren waren die Bedingungen für ein Ende der Gewalt im türkischen Kurdengebiet besser. Doch nach dem Anschlag vom Mittwoch könnte es damit vorbei sein. Basbug und Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan kündigten an, der Kampf gegen die PKK gehe weiter.

Die PKK selbst äußerte sich am Mittwoch zunächst nicht zu dem Anschlag. Die Rebellen hatten erst vor kurzem eine einseitige Waffenruhe ausgerufen, die bis Juni dauern sollte. Anfang der Woche sagte der PKK-Oberkommandant Murat Karayilan dem arabischen Fernsehsender Al-Jazeera, eine politische Lösung des Kurdenkonflikts sei "nah". Zugleich betonte er jedoch die Kampfbereitschaft seiner Organisation. Deshalb stellt sich nun die Frage, ob der Bombenanschlag von der PKK-Führung angeordnet wurde und damit den Beginn einer neuen Eskalation markieren könnte, oder ob die Bombe von einer Rebelleneinheit auf eigene Faust gezündet wurde.

Angesichts des verworrenen Frontverlaufs im türkischen Kurdenkonflikt dürften aber bald auch Spekulationen über eine Verwicklung der türkischen Sicherheitskräfte aufkommen. In den vergangenen Jahren gab es mehrfach Fälle, in denen Soldaten oder Polizisten selbst Bombenanschläge verübten, um Spannungen in der Region zu schaffen oder zu erhalten, um ihre eigene Existenz zu rechtfertigen. Nur eins ist nach dem Tod der Soldaten in der Nähe von Lice sicher: Eine friedliche Lösung des Kurdenkonflikts in der Türkei ist erneut in weite Ferne gerückt.

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