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Die EU hält der Türkei einen starken Druck auf die Medien vor.

© DENIZ TOPRAK/dpa

Türkei: EU kritisiert Drangsalierung der Medien

In ihrem jährlichen Fortschrittsbericht konstatiert die EU in Sachen Meinungsfreiheit große Rückschritte in der Türkei. Premier Davutoglu rechtfertigt die Festnahme von Journalisten.

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Die EU hat die Drangsalierung der Medien beim Beitrittsbewerber Türkei scharf kritisiert. Es habe „bedeutsame Rückschritte“ beim Thema Meinungs- und Versammlungsfreiheit gegeben, erklärte die EU-Kommission am Dienstag in ihrem Fortschrittsbericht zur Türkei für das laufende Jahr. Strafverfahren gegen Journalisten, Autoren und Nutzer sozialer Medien seien Grund zu „erheblicher Sorge“. Viel Aussicht auf rasche Veränderungen besteht trotz der Kritik nicht. So rechtfertigte Ministerpräsident Ahmet Davutoglu die Festnahme von Journalisten.

Aus Rücksicht auf die türkische Führung, deren Mitarbeit in der Flüchtlingskrise für die EU sehr wichtig ist, hatte die Kommission die Veröffentlichung des Berichts vor der türkischen Parlamentswahl vom 1. November vermieden. Insbesondere die sehr kritischen Anmerkungen zur Lage der Medien in dem Bericht lassen erkennen, warum die EU den Zorn Ankaras befürchtete.

Gelobt wird die Türkei wegen der Aufnahme von Flüchtlingen

So beklagt der EU-Bericht unter anderem „eine willkürliche und restriktive Auslegungen der Gesetze, politischen Druck, Entlassungen und häufige Gerichtsverfahren gegen Journalisten, die auch zur Selbstzensur führen“. Der Regierung wird „starker Druck auf die Medien“ vorgehalten. Es gebe Drohungen, Einschüchterungen und vereinzelt sogar körperliche Angriffe auf Journalisten. Zudem würden mehr und mehr Verfahren wegen angeblicher Beleidigung von Präsident Recep Tayyip Erdogan eröffnet, was mehrjährige Haftstrafen nach sich ziehen könne. Diese Strafandrohung widerspreche der Rechtsprechung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes.

Auch der politische Druck auf die Justiz in der Türkei wird in dem Bericht kritisiert. Zudem ruft die EU die türkische Regierung zur Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den Kurden auf. Lobend erwähnt wird die Bereitschaft des Landes zur Aufnahme von rund 2,2 Millionen Flüchtlingen aus Syrien und anderen Krisenländern.

Ankara wies die Vorwürfe der EU zurück. Das EU-Ministerium erklärte, die Kritik sei unangebracht. Premier Davutoglu hatte am Vorabend im US-Fernsehsender CNN gesagt, die Pressefreiheit sei für ihn eine „rote Linie“, die nicht angetastet werden dürfe. Im selben Atemzug sagte Davutoglu aber auch, die kürzliche Inhaftierung von zwei Redakteuren des Nachrichtenmagazins „Nokta“ sei für ihn kein Angriff auf die Pressefreiheit, sondern die Antwort auf eine „Provokation“.

Steinmeier strebt Übereinkommen an

Der Außenminister Luxemburgs, Jean Asselborn, relativierte die Aussagen des Berichts und sprach sich dafür aus, die Verhandlungen über die Kapitel Justiz und Rechtsstaatlichkeit zu eröffnen. Luxemburg hat die EU-Ratspräsidentschaft inne. „Ein Land, das zwei Millionen aufnimmt, kann kein Land sein, dem die Menschenrechte egal sind“, sagte Asselborn in Berlin. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) strebt ein Übereinkommen mit der Türkei an, „dass weniger Menschen völlig ungeordnet den kurzen Seeweg“ auf eine griechische Insel nehmen. „Ob uns die gegenwärtige innenpolitische Situation in der Türkei gefällt oder nicht, wir werden wirklich Verabredungen brauchen“, sagte er.

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