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Türkei: Schadenfroh, aber hilfsbereit

In der Türkei betrachtet man die Krise des Erzrivalen Griechenland mit gemischten Gefühlen – und plant ein Gipfeltreffen noch im Mai.

Die Türken schimpfen viel und gerne über die wirtschaftliche Lage in ihrem Land. Die Arbeitslosigkeit verharrt trotz der wieder anziehenden Konjunktur bei 14 Prozent, die Inflation liegt bei fast zehn Prozent. Doch bei allen Problemen zu Hause können sich die Türken ein wenig Schadenfreude über die Lage beim Nachbarn und langjährigen Erzrivalen Griechenland nicht verkneifen. Die Griechen hätten bisher „mit dem Geld der EU in Saus und Braus leben können“, kommentierte eine Zeitung kürzlich. „Jetzt stehen sie vor der Pleite.“

Lange Zeit galten die Türken als Hungerleider am Rande Europas. Nun stehen sie wirtschaftlich viel besser da als die Griechen, die wegen ihrer EU-Mitgliedschaft bisher oft beneidet wurden. Während die Ratingagenturen die griechischen Staatsanleihen auf Ramschstatus herabstufen, würden die türkischen Anleihen immer besser bewertet, meldet die Presse. In der Türkei machen die Staatsschulden gerade einmal 46 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus und liegen damit weit unter der Maastricht-Marke von 60 Prozent – das Euro-Land Griechenland dagegen schießt mit 125 Prozent meilenweit über den Grenzwert hinaus.

Gut fürs türkische Ego sind auch Karikaturen wie jene, die vor einigen Tagen in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erschien: Über der Akropolis weht die türkische Flagge, und ein deutscher Tourist sagt zu seiner Frau, er sei froh, „dass die Türken Griechenland gerettet haben“. Die Zeichnung wurde sofort von den Internetseiten türkischer Fernsehsender und am Tag darauf von den Zeitungen übernommen. „Unsere Fahne sieht da gut aus“, schrieb ein Leser der Website des Nachrichtenkanals CNN-Türk.

Direkte Auswirkungen der Griechenlandkrise auf die türkische Wirtschaft erwarten die Experten nicht. Griechenland, das mit seinen elf Millionen Bürgern nicht einmal so viele Einwohner hat wie die türkische Metropole Istanbul, gehört nicht zu den entscheidend wichtigen Handelspartnern des Landes. Das bilaterale Handelsvolumen beträgt nur knapp drei Milliarden Dollar im Jahr. Hinweise auf eine Kapitalflucht verschreckter Anleger, die genug haben von den Staaten im östlichen Mittelmeer, gibt es in der Türkei bisher ebenfalls nicht.

Trotzdem kann Ankara nicht ganz sorgenlos zuschauen, was in Athen geschieht. Wenn die Griechenlandkrise die internationalen Finanzmärkte belastet und den ganzen Euro-Raum in Mitleidenschaft zieht, wird das auch die Türkei zu spüren bekommen. Schließlich ist der Export nach Europa ein wichtiges Standbein der türkischen Wirtschaft.

„Von einem Brand im Nachbarhaus ist man direkt betroffen,“ sagt auch der Sprecher des türkischen Außenministeriums, Burak Özügergin. Zwar will Ankara von direkter Finanzhilfe für den Nachbarn nichts wissen – die türkische Fahne auf der Akropolis wird also vorerst nur in Zeitungskarikaturen wehen. Aber Beratung in Sachen Krisenmanagement können die Türken schon anbieten. Schließlich standen sie nach einem Kollaps ihres Bankensystems vor neun Jahren selbst am Rande des Staatsbankrotts, wie jetzt in Athen wurde damals in Ankara darüber geredet, Zinszahlungen für Kredite einzustellen. Die Türkei rettete sich mithilfe eines strikten Reformprogramms und Krediten des Internationalen Währungsfonds, der jetzt auch in Griechenland aktiv werden soll.

Mitte Mai will der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan mit großem Gefolge nach Athen reisen. Die Finanzkrise dürfte zu einem wichtigen Thema des griechisch-türkischen Gipfels werden. Unter anderem ist eine Initiative zur Beendigung des teuren Wettrüstens der beiden Staaten in der Ägäis im Gespräch.

„Wir sind zur Hilfe bereit, sei es mit technischer Expertise oder auf anderem Wege“, sagte ein hochrangiger türkischer Diplomat dem Tagesspiegel. „Aber es liegt an den Griechen, um diese Hilfe zu bitten.“

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