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Politik: Türken warnen Union vor Populismus

EU-Beitritt als Wahlkampfthema wäre „große Hypothek“ für Merkel

Istanbul - Bestrebungen deutscher Unionspolitiker, das Nein der CDU/CSU zur türkischen EU-Bewerbung in den Mittelpunkt des Bundestagswahlkampfes zu stellen, stoßen in der Türkei auf Kritik. Wenn die Unionsparteien auf anti-türkische Parolen zurückgreifen müssten, sei das ein Armutszeugnis, hieß es am Dienstag in der Umgebung des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Allerdings gehen türkische Beobachter davon aus, dass sich die CDU/CSU nach einem Wahlsieg im September in ihrer Türkeipolitik gemäßigter verhalten wird, als es das Wahlkampfgetöse vermuten lässt. Schließlich müsse Angela Merkel als Bundeskanzlerin mit der Türkei auskommen.

In Ankara wird befürchtet, eine Zuspitzung des Neins der Union zur türkischen EU-Bewerbung im Wahlkampf könnte das Verhältnis zwischen den Bundesbürgern und den drei Millionen Türken in Deutschland vergiften. „Mit ihrem Populismus in der Türkeifrage spielt die CDU ein gefährliches Spiel“, kritisierte Cengiz Aktar, Leiter des Europa-Zentrums an der Istanbuler Bahcesehir-Universität. Der außenpolitische Kommentator Semih Idiz sagte, die CDU/CSU stoße außerdem die aufstrebende türkische Mittelschicht in Deutschland vor den Kopf, ein eher konservatives Wählerreservoir.

Ein Erdogan-Berater sagte, er habe „Achtung“ davor, dass Merkel selbst gegen eine Forcierung des Türkeithemas im Wahlkampf sei. Nur eine Partei, die sich ihres Wahlsieges unsicher sei, müsse zu solchen Taktiken greifen. Sollte sich die Union trotzdem dafür entscheiden, ihre Gegnerschaft zur türkischen EU-Bewerbung zu einem Hauptthema im Wahlkampf zu machen, würde dies zu einer „großen Hypothek“ für die neue Bundesregierung werden. Denn Merkel habe erklärt, dass sie zwar eine „privilegierte Partnerschaft“ zwischen EU und Türkei anstrebe, den geplanten Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen der Türkei am 3.Oktober aber nicht blockieren werde.

Auch wegen dieser Zusage erwartet die Türkei selbst unter einer neuen Regierung in Berlin keinen radikalen Bruch im deutsch-türkischen Verhältnis. Sollte Merkel nach der Wahl die geltenden EU-Beschlüsse zur Türkei aufkündigen, würde sie auf der internationalen Bühne unglaubwürdig, sagte der Erdogan-Berater. Ankara setzt deshalb auf eine gewisse Kontinuität in den deutsch-türkischen Beziehungen: „Wenn Frau Merkel an die Macht kommt, müssen wir ja miteinander leben.“

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