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Politik: Türkischer Waffendeal mit China ärgert Nato

Ankara will eine eigene Raketenabwehr aufbauen.

Istanbul - Zwischen der Türkei und ihren westlichen Partnern gibt es Krach um ein Waffengeschäft Ankaras mit China. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan verbat sich jetzt in scharfen Worten jede Einmischung der Allianz in die souveränen Rüstungsentscheidungen seines Landes. Dagegen warnen die USA und die Nato die Türken davor, Waffensysteme anzuschaffen, die mit der Ausrüstung der Partner in der Allianz nicht kompatibel seien. Washington sei „ernsthaft besorgt“, sagte der US-Botschafter in Ankara, Francis Ricciardone. Der Streit dürfte der Debatte um die abwehrende Haltung der Türkei gegenüber dem Westen neuen Auftrieb geben.

Die türkische Armee, die mit 720 000 Mann zweitstärkste Streitmacht der Nato nach dem US-Militär, hat bisher kein Raketenabwehrsystem, weshalb Ankara im vergangenen Jahr die Hilfe der Partner USA, Deutschland und Niederlande beim Schutz vor möglichen Raketenangriffen aus Syrien erbitten musste. Die Bundeswehr entsandte im Rahmen dieser Nato-Mission Patriot-Raketen mit Bedienungsmannschaften ins südtürkische Kahramanmaras.

Nun will Ankara eine eigene Raketenabwehr aufbauen. Ende September entschied sich die türkische Regierung für Gespräche mit dem chinesischen Unternehmen CPMIEC über die gemeinsame Herstellung eines Flug- und Raketenabwehrsystems im Wert von rund vier Milliarden Dollar. Nur wenn die Verhandlungen mit den Chinesen über das System FD-2000 scheitern, wollen die Türken zuerst mit dem europäischen Anbieter Eurosam und dann mit dem US-Unternehmen Raytheon sprechen, dem Hersteller der Patriot-Raketen.

Ankara sieht kein Problem im Kauf eines chinesischen Systems für eine Nato-Armee, auch nicht in der Tatsache, dass die chinesische Firma US-Sanktionen unterliegt, weil sie mit dem Iran, Nordkorea und Syrien kooperiert haben soll. Offenbar zählte für die türkische Regierung neben dem günstigen Preis der Chinesen vor allem die Möglichkeit eines Technologietransfers bei der gemeinsamen Produktion des Abwehrsystems.

Bei der Nato und der US-Regierung löste die türkische Entscheidung deutliche Irritationen aus. US-General Frederick Ben Hodges, der Oberkommandierende der Nato-Landstreitkräfte, sagte dem Nachrichtensender CNN-Türk, die Haltung Ankaras bringe Probleme mit sich. Natürlich sei jedes Land frei in seinen Beschaffungsentscheidungen. Aber ein chinesisches System sei nun einmal mit den in der Nato üblichen Waffensystemen nicht kompatibel. Erdogan entgegnete, die Nato solle sich zuerst einmal um jene Länder kümmern, die über russische Waffen in den Arsenalen verfügen. Niemand habe das Recht, einen „Schatten auf das türkische Verständnis von Unabhängigkeit zu werfen“, sagte Erdogan. Die Türkei habe – mit Wissen der Nato – sogar schon ein gemeinsames Manöver mit den Chinesen abgehalten.

Die türkische Entscheidung passt zur Linie der Erdogan-Regierung in der Außenpolitik: Die Türkei versteht sich zunehmend als eigenes Machtzentrum mit eigenen Interessen, die sich nicht unbedingt mit denen der westlichen Partner decken müssen. Ein Erdogan-Berater betonte zum Beispiel zuletzt in einem Zeitungsbeitrag, Europa sei im Niedergang begriffen, die Türkei dagegen im Aufstieg. Ganz so weit will Erdogan selbst nicht gehen. Er betonte, seine Regierung werde sich mögliche neue Angebote westlicher Firmen gerne ansehen. Prinzipielle Bedenken gegen westliche Rüstungsgüter hat die türkische Regierung ohnehin nicht. Sie will in den kommenden Wochen einen Vertrag zum Kauf von mehr als hundert Militärhubschraubern im Wert von 3,5 Milliarden Dollar unterschreiben. Hersteller ist das US-Unternehmen Sikorsky.Thomas Seibert

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